Berlin, Düsseldorf (epd). Die seit Sonntag laufenden Impfungen gegen Covid-19 werden von einer Debatte um Privilegien für Geimpfte begleitet. Rechtspolitiker von SPD und Union prüfen ein gesetzliches Verbot von solchen Sonderrechten. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alina Buyx, mahnt zu Geduld und Genauigkeit bei rechtlichen Änderungen. Verbraucherschützer fordern Sicherheit gegen Diskriminierung.
Die SPD-Bundestagsfraktion prüft laut ihres rechtspolitischen Sprechers Johannes Fechner "gesetzliche Maßnahmen, wie Ungleichbehandlungen von Nicht-Geimpften und Geimpften durch die Privatwirtschaft ausgeschlossen werden könnten". Wenn die für Februar vom Impfstoffhersteller Biontech angekündigten Auswertungen zeigten, dass Geimpfte ansteckend seien, wäre eine Ungleichbehandlung epidemiologisch nicht zu rechtfertigen, sagte Fechner der "Welt" (Dienstag).
In Betracht käme eine Ergänzung im Bürgerlichen Gesetzbuch, die die Zulässigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) regelt, führte Fechner aus. "Hier könnte man festlegen, dass zum Beispiel AGBs unzulässig sind, die den Transport von Personen an den Impfstatus knüpfen." Auch "eine Klarstellung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dass niemand benachteiligt werden darf, der sich nicht impfen lässt", sei denkbar.
Der Sprecher der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Sebastian Bickerich, sagte, es gebe im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bislang keine Handhabe für Nicht-Geimpfte, gegen Ungleichbehandlungen bei Alltagsgeschäften vorzugehen: "Wenn der Gesetzgeber dafür Vorsorge treffen wollte, müsste er das konkret regeln."
Die Ethikratsvorsitzende Alena Buyx mahnte in der Debatte um mögliche Sonderrechte für Geimpfte zu Augenmaß und Geduld. Sie sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), solange sich nicht alle Menschen gegen das Coronavirus impfen lassen können, die das möchten, könne man nicht über mögliche Sonderrechte sprechen: "Denn wir stehen als Gesellschaft zurück für diejenigen, die besonderen Schutz brauchen", sagte Buyx. Es wäre "sehr unausgewogen", wenn diese Gruppen Vorrechte hätten.
Wenn die Impfung allen zur Verfügung stünde, werde aber "sicher gefragt werden, ob und unter welchen Umständen es zulässig sein könnte, Geimpfte und Nicht-Geimpfte unterschiedlich zu behandeln", sagte Buyx. Dafür brauche man gut durchdachte und breit diskutierte Lösungen: "Pauschale Verbote sind zu undifferenziert", erklärte die Medizinethikerin.
Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt erklärte auf NDR Info, Sonderrechte für Geimpfte seien "unfair", so lange es nicht genügend Impfstoff gebe. Man müsse sich deshalb in kürzester Zeit ausreichend Kapazitäten aufbauen: "Dann erübrigt sich - glaube ich - auch diese Debatte", sagte Reinhardt.
Auslöser für die Debatte um einen Diskriminierungsschutz für Nicht-Geimpfte sind Ankündigungen aus der Privatwirtschaft, Menschen, die gegen das Virus geimpft sind, künftig anders zu behandeln als nicht Geimpfte. Die australische Fluggesellschaft Qantas etwa will nur noch geimpfte Passagiere an Bord lassen.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) warnte vor Sonderrechten für Geimpfte. "Je mehr Menschen geimpft werden, desto lauter wird der Ruf nach Vorteilen für Geimpfte und einer Öffnung für wirtschaftliche Aktivitäten werden", sagte Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). "Nicht-Geimpfte dürfen aber nicht benachteiligt werden, zumal es für viele Menschen vor dem Herbst keine Impfungen geben wird", sagte Müller und forderte das Bundesjustizministerium auf, dazu Anfang des Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Unter anderem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatten sich für einen Diskriminierungsschutz Ungeimpfter ausgesprochen. Der rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Volker Ullrich, sagte der "Welt", für den Staat gelte bereits ein allgemeines Diskriminierungsverbot." Im privaten Bereich gebe es hingegen "eine Regelungslücke, die wir adressieren müssen".
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