Konsequentes Vorgehen gegen Rechtsextremisten in Behörden gefordert
28.12.2020
epd
epd-Gespräch: Markus Geiler

Berlin (epd). Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, fordert von den deutschen Behörden ein konsequentes Vorgehen gegen Rechtsextremisten in den eigenen Reihen. Jeder einzelne Rechtsextremist und Antisemit bei Polizei und Bundeswehr sei einer zu viel, sagte Heubner dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Es gehe dabei nicht um einen Generalverdacht. Es gebe eine übergroße Anzahl von Polizisten, die ihren Job anständig verrichten. "Es geht um die Leute, die die Polizei von innen heraus diskreditieren und die müssen aus dem Dienst entfernt werden. Das gleiche gilt für die Bundeswehr", sagte Heubner. Der Staat müsse elementar darauf achten, dass das Innerste seines demokratischen Wesens gewahrt bleibe.

Die KZ-Überlebenden hätten 2020 mit einem sehr zwiespältigen Gefühl erlebt, sagte Heubner. Viele der heute hochbetagten Frauen und Männer hätten auf die wegen Corona abgesagten Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestag der Befreiung der NS-Konzentrationslager im Frühjahr hingelebt als eine Art Abschluss. Stattdessen beginne nun wieder etwas, wo sie dachten, es sei längst überwunden. "Der Antisemitismus nimmt zu und paart sich mit den Verschwörungsideologien und altes wächst mit neuem Rechtextremismus zusammen und die Dummheit ist immer noch so aggressiv und tückisch, wie sie es gewesen ist", sagte Heubner.

Die Anspannung bei den Überlebenden sei mit jeder Corona-Leugner-Demonstration gewachsen. "Natürlich sollen es wieder die Juden sein, die hauptverantwortlich sind für diese Pandemie. Damit wächst bei den Überlebenden ein Gefühl der Bedrohung, dass sie nicht nur selbst betrifft sondern auch ihre Nachkommen", sagte Heubner. Das sei tragisch, weil viele Überlebende im Holocaust ihre Angehörigen verloren haben und danach neue Familien gründeten. "Jetzt müssen sie erkennen, sie werden ihren Kindern und Enkelkindern kein Leben in Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit garantieren können." Das sei eine sehr bittere Erkenntnis.

Viele aus der Mitte der Gesellschaft hätten immer noch nicht begriffen, dass man jetzt laut werden müsse, in einer Situation, "wo unsere Gesellschaft erstmals an ihre Grenzen gerät", sagte Heubner. Beispiele wie die Studentin aus Kassel, die sich in ihrem Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen in der Tradition Sophie Scholls sieht, zeigten zudem die Verschiebungen, die bereits stattgefunden haben. "Jetzt, wo es den Leuten an den eigenen Hintern geht, zeigen sich diese Verschiebungen deutlich, das Differenzierungsvermögen nimmt ab und es kommen nur egozentrische Dummheiten heraus. Und diese Dummheiten nützen den rechten Rattenfängern."