Magdeburg/Halle (epd). Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat das Urteil gegen den Halle-Attentäter begrüßt. Die Verurteilung zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung mache deutlich, "dass mörderischer Hass auf Juden auf keinerlei Toleranz trifft", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Montag in Berlin. Vor allem für die Angehörigen der beiden Ermordeten sowie für all jene Menschen, die an Jom Kippur 2019 nur knapp dem Tod entronnen seien, sei das Urteil wichtig. Mit ihren beeindruckenden Auftritten hätten die Nebenkläger und Zeugen "dem Hass des Täters Menschlichkeit entgegengesetzt".
Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) bezeichnete das Urteil als Warnung an alle Täter, die jüdisches Leben und damit die ganze Gesellschaft angreifen: "Es soll genauso die Gerichte ermutigen, weiter hart gegen antisemitische Straftaten vorzugehen". Man sei erleichtert über das Urteil, auch wenn die Gefahr und die Angst für Juden in Deutschland damit nicht vorüber sei. Es müsse eine "gesellschaftliche Sicherheit für jüdisches Leben" in Deutschland geben, hieß es weiter. Der Gesellschaft dürfe Terror und Hass, ob von rechts, links oder religiös motiviert nicht gleichgültig sein.
Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, erklärte in Berlin: "Für Überlebende des Holocaust ist dies ein angemessenes Urteil, das die bleibende tödliche Gefahr, die von dem Angeklagten ausgeht, realistisch eingeschätzt hat." Vor allem sei dies aber auch ein Urteil, das die Menschen weit über Deutschland hinaus daran erinnere, wie "explosiv sich antisemitischer Hass in dieser vernetzten Welt zum Mord hin entwickeln kann". Gerade die Überlebenden des Holocaust und ihre Familien seien sich auch nach diesem Urteil bewusst: "Das Gift des Antisemitismus gefährdet uns alle nach wie vor."
Der Synagogen-Attentäter von Halle, Stephan B., ist vom Oberlandesgericht Naumburg zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Das Gericht verurteilte den 28-jährigen Rechtsterroristen am Montag unter anderem wegen Mordes in zwei Fällen und versuchtem Mordes in 51 Fällen sowie wegen Körperverletzung, räuberischer Erpressung und Volksverhetzung.
Der Attentäter hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen und rassistischen Motivation heraus versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, um dort ein Blutbad anzurichten. Zu dem Zeitpunkt hielten sich dort 51 Menschen auf, um den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu feiern. Er scheiterte an einer verschlossenen Holztür zum Gelände der Synagoge. In der Folge erschoss er eine 40-jährige Passantin auf der Straße und einen 20-Jährigen in einem Döner-Imbiss.
Zentralrats-Präsident Schuster fügte hinzu, es bleibe eine traurige Tatsache, dass viele von Antisemitismus Betroffene die Vorfälle nicht melden, weil sie eine unangemessene Reaktion der Polizei befürchten. Auch der Umstand, dass sehr viele Verfahren bei antisemitischen Übergriffen eingestellt werden, lasse die Betroffenen resignieren. Nach Auffassung des Zentralrats sollte das Verfahren Vorbild für die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte in Deutschland sein, die antisemitische Straftaten zu verfolgen haben, damit Antisemitismus besser erkannt und nachhaltiger geahndet werde. "Nicht selten erleben wir in der Justiz eine Sehschwäche auf dem rechten Auge", sagte Schuster.