Weihnachtsbesuche im Pflegeheim
© epd-bild/Andrea Enderlein
Senioreneinrichtungen sind von der Corona-Pandemie in besonderem Maße betroffen. Ihre Bewohnerinnen und Bewohner sind extrem gefährdet, Heimleiter und Pflegekräfte überlastet. Für Angehörige gibt es ein Betretungsverbot, nur das Besuchercafé ist geöffnet. Einmal pro Woche darf jeder Heimbewohner dort eine Stunde einen Menschen von draußen treffen. An Weihnachten ist der Andrang zu groß, da sind es nur 20 Minuten.
Besuchszeit in Altenheimen zu Weihnachten stark begrenzt
Senioreneinrichtungen sind von der Corona-Pandemie in besonderem Maße betroffen. Ihre Bewohnerinnen und Bewohner sind extrem gefährdet, Heimleiter und Pflegekräfte überlastet. Sie bemühen sich dennoch, etwas Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen.
22.12.2020
epd
Elisa Rheinheimer-Chabbi

Für Elisabeth Hirsch, Minna Wickel und Anita Konrad ist eigentlich alles wie immer im Advent. Die drei Seniorinnen sind fröhlich. Angst vor Corona haben die Bewohnerinnen des Altenpflegeheims Kronberg nicht. Das Foyer ist festlich geschmückt, ein Tannenbaum steht neben Nikolausfiguren. Hier im hessischen Dietzhölztal, der nördlichsten Gemeinde des Lahn-Dill-Kreises, scheint die Welt noch in Ordnung. 

Bisher gab es in diesem Heim, das zum Diakonischen Werk Bethanien mit der Zentrale in Solingen gehört, keine Coronafälle. Und das obwohl sie hier möglich machen, was andernorts längst gestrichen ist: Singkreise, Andachten, selbst eine Nikolausfeier gab es - nur fand diese draußen statt, mit Feuerschale, Bläsern und Hütten, an denen es Bratwurst, Glühwein und Waffeln gab. 

Hoher Koordinationsaufwand für Besuche

Wer wann kommen durfte, war streng nach Wohnbereich unterteilt. "Rund 5.000 Stunden Arbeitszeit hat es uns seit Ausbruch der Pandemie gekostet, alles neu zu organisieren", sagt Ute Reeh, die den sozialen Dienst leitet. Allein die Koordinierung der Besuche von Angehörigen bedeutet nach ihren Worten einen erheblichen Mehraufwand. Jeder Bewohner im Seniorenzentrum darf pro Woche drei Mal Besuch bekommen. Und nun muss das Personal auch noch die Schnelltests stemmen.

"Die Pflegeeinrichtungen brauchen dringend Hilfe von außen, um Corona-Tests durchzuführen", erklärt Nora Roßner, Referentin für Alter und Pflege des Deutschen Caritasverbandes. "Denn die Personaldecke ist ohnehin schon dünn. "Deshalb müssten für die Tests pensionierte Ärzte, die Bundeswehr oder Medizin-Studierende aushelfen, sonst packen die Heime das nicht."

Für die fällt ohnehin genug Arbeit an: So muss jede Senioreneinrichtung beim Gesundheitsamt ein Testkonzept vorlegen, bevor es Corona-Tests bestellen darf. Das hat auch Günther Schlott gemacht, Leiter des Ludwig-Eibach-Hauses, eines evangelischen Seniorenzentrums in Wiesbaden. Mehrere Wochen ist das schon her, sein Konzept wurde zwar genehmigt - auf die Tests wartet er jedoch noch immer. "Wir sind ziemlich auf uns allein gestellt", sagt Schlott ernüchtert. Das ist kein Einzelfall. Bundesweit sei "der Umsetzungsdruck für die Heimleitungen und deren Mitarbeiterinnen Wahnsinn", sagt Caritas-Referentin Roßner. 

"Das schmerzt"

Theorie und Praxis klaffen auch bei den geplanten Impfungen weit auseinander. "Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat angekündigt, dass es nächste Woche losgeht mit dem Impfen", sagt Schlott. "Aber wie soll das funktionieren?" Priorität beim Impfen haben die Über-80-Jährigen; allein in Wiesbaden sind das 18.500 Menschen. Die Bewohner der Altenheime sind da noch nicht mitgezählt. "Das Impfzentrum Wiesbaden erwartet eine Dosis von 3.500 Impfungen - und für einen wirksamen Schutz muss pro Person doppelt geimpft werden", erklärt er. 

Für die Bewohner im Ludwig-Eibach-Haus läuft das Leben größtenteils weiter wie bisher. Es wird gebastelt und gebacken, Weihnachtsbäume werden geschmückt, Rätselrunden finden statt - nur eben getrennt nach Etagen. Was fehlt? "Mal in den Arm genommen zu werden", sagt Johannes Schnepp aus dem Heimbeirat. "Und dass ich meinen Sohn oder meine Tochter an Weihnachten bloß zwanzig Minuten sehen kann, das schmerzt", ergänzt Irmhild Rufli aus dem Heimbeirat. 

Fensterbesuche und Video-Anrufe

Für Angehörige gibt es ein Betretungsverbot, nur das Besuchercafé ist geöffnet. Einmal pro Woche darf jeder Heimbewohner dort eine Stunde einen Menschen von draußen treffen. An Weihnachten ist der Andrang zu groß, da sind es nur 20 Minuten. Zusätzlich sind aber "Fensterbesuche" möglich, und das Heim stellt Tablets zur Verfügung, damit die Bewohner über Videotelefonie mit ihren Familien sprechen können. 

Heimleiter Schlott und sein Team geben sich alle Mühe, Weihnachten so schön wie möglich zu gestalten. Auch einen Gottesdienst haben sie vorbereitet: Der wird an Heiligabend auf großen Fernsehbildschirmen ausgestrahlt. Doch die Verantwortung, die auf seinen Schultern lastet, ist enorm. "Ein unkontrolliertes Ausbruchsgeschehen bedeutet Todesfälle", sagt Schlott. "Wenn wir auch nur einen Fehler machen, tragen wir daran eine Mitschuld."