Frau von Weyhern, Herr Nitsche, was Sie machen, ist deutschlandweit in der Kirche immer noch einzigartig: Sie teilen sich ein kirchenleitendes Amt. Zuvor haben Sie sich schon eine Stelle als Planungsreferenten im Landeskirchenamt geteilt. Wie funktioniert das?
Elisabeth Hann von Weyhern: Wir haben jeweils, wo wir waren, überlegt, wie das gehen kann, und die Kriterien entwickelt, die bis heute leitend waren: gemeinsam die Aufgabe wahrnehmen. Das heißt nicht, jeder macht einen Bereich und der andere einen anderen, sondern konsequent von den Menschen her denken, die es mit uns zu tun haben. Und niemand muss sich darüber Gedanken machen, wie wir es intern organisieren. Die Regionalbischöfe sind zuverlässig da, egal in welcher Person sie auftreten.
Stefan Ark Nitsche: Es ist wie bei einem Verkehrsverbund. Die Passagiere interessiert es nicht, welches Kleinunternehmen innerhalb des Verbundes gerade dahintersteckt, sie wollen von A nach B transportiert werden. Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben auch Ziele und Vorstellungen, und wie wir das organisieren, ist unsere Sache. Je weniger man davon merkt, umso besser ist es. Unsere zwei Grundregeln sind ja: Was einer gesagt hat, haben beide gesagt. Was einer gehört hat oder eine, haben beide gehört.
Haben Sie Dienstliches nur in den dienstlichen Räumen besprochen?
Nitsche: Nicht ganz - unsere Regel heißt: Wo Teppichboden liegt, da reden wir nicht über Dienstliches. Dann sind wir eben zur Besprechung von Dienstlichem eine Treppe tiefer ins Büro gegangen.
Hann von Weyhern: Das entstand, damit der Dienst nicht überbordend wird. Aber das hat sich nicht bewahrheitet. Wir können Dienst und Privates trennen, und wir sind wirklich ein Team gewesen, das gern miteinander arbeitet. Wir können miteinander reden. Wir können auch mal sagen: So, jetzt ist Schluss.
Nitsche: Die Frage, ob das zu trennen ist, ist ja berechtigt und auch im eigenen Interesse. Dass wir verheiratet sind miteinander, ist nicht die Grundqualifikation für die Wahrnehmung eines solchen Amtes, sondern der wunderbare Zufall, dass wir beide teamfähig sind und auch miteinander teamfähig sind. Das haben wir bei der ersten Stellenteilung gelernt, sonst hätten wir uns nicht wieder auf so etwas eingelassen. In der Vergangenheit sind Kolleginnen und Kollegen mehr oder weniger dazu gezwungen worden, Stellen zu teilen. Das ist zum Glück Vergangenheit - aber da hat es Ehen gewaltig belastet.
"Wo Teppichboden liegt, da reden wir nicht über Dienstliches"
Frau Hann von Weyhern, haben Sie mal erlebt, dass Menschen bei Terminen fragten, "und wann kommt denn ihr Mann?"
Hann von Weyhern: Solche Stimmen sind ganz schnell verstummt, die Akzeptanz war schnell da. Mich hat es sehr berührt, wenn Menschen gesagt haben, "ich war dagegen, und jetzt bin ich froh, dass Sie beide da sind". Es gibt sogar welche, die sich entschuldigt haben. Als unser Modell etabliert war, wurde ich immer mehr mit "unsere Regionalbischöfin" begrüßt - auch bei den Katholiken (lacht). Das Wort "unsere" hat mein Herz gerührt und gezeigt, es ist schon richtig und du bist auch am richtigen Platz.
Was waren denn zuvor die Bedenken?
Hann von Weyhern: Es gab Bedenken, dass der Kirchenkreis in Gebiete südlich und nördlich der Pegnitz geteilt würde und nicht zusammenbleibt, was zusammengehört. Aber zu diesem Amt gehört ja, auch Anwälte des Ganzen zu sein. Oder dass in einem zwischen uns zweien vermuteten Bermuda-Dreieck Themen untergehen. Man sagt es einem, der vergisst es und hat es nicht weitergegeben, und das nächste Mal trifft man den anderen und muss wieder von vorne anfangen. Es macht einen gewissen sportlichen Spaß zu beweisen, dass es nicht so sein muss.
Nitsche: Wahrscheinlich hat man dann auch gemerkt, dass ein großer Vorteil einer solchen Stellteilung ist, dass noch mal etwas Neues entsteht, wenn zwei Menschen, wenn sie nicht völlig unterschiedlich sind, ihre verschiedenen Schwerpunkte zusammenwerfen. Es wäre für mich unvorstellbar, wenn ich 14 Jahre allein Regionalbischof gewesen wäre. Ich habe so viel profitiert vom gemeinsamen Arbeiten und den Ideen, die dann entstehen. Zu den Highlights gehören neben Menschen, Menschen, Menschen, der Dank an die Kirchenvorsteher im Theater in Langenzenn (2012 und 2017), das Tauffest (2011) oder der Pfarrertag (2015). Es war Luft da für deine Arbeit bei PuK (Entwicklungsprozess Profil und Konzentration) und für meine am Pfarrbildprozess und dem Miteinander der Berufsgruppen.
Hann von Weyhern: Wir haben mehr gearbeitet, aber wir haben auch auf den Ausgleich geachtet. Wir sind zu dem, was wir gemacht haben, nie gezwungen worden. Da wo wir doppelt gearbeitet haben, haben wir das so entschieden.
"So viel von gemeinsamen Ideen profitiert"
Wie hat denn ihr Sohn die Regionalbischofseltern verkraftet?
Nitsche: Unser Sohn kennt das gar nicht anders. Wir haben die Stelle nach der Elternzeit geteilt, als er ein Jahr alt war - genau aus diesem Grunde, weil wir beide Beruf, Familie und Kind wollten. Für mich als Vater ist das eine Beziehung, die stark auch durch Alltagserfahrungen geprägt ist. Dazu gehört auch, zuständig zu sein für Schule, Einkaufen, Bügeln, Leiden, Lernen, auf den Fußballplatz fahren. Es ist anders als im klassischen Familienmodell, wo man am Wochenende sein Kind sieht.
Hann von Weyhern: Unser Sohn hat, wenn er zurückschaut, den Eindruck, er hat nicht gelitten. Es war für ihn weder ein Vorteil noch ein Nachteil, dass seine Eltern Regionalbischöfe sind. Es spielte in seinem Umfeld auch keine Rolle. Seine Freunde sind bei uns ganz selbstverständlich ein- und ausgegangen. Bei uns ist Platz, und oft hatten wir ein volles Haus.
Frau Hann von Weyhern, haben Sie sich beim Amtsantritt Gedanken gemacht, irgendwann ist die Stellenteilung vorbei, denn Ihr Mann ist ein paar Jahre älter?
Hann von Weyhern: Nein. Ich plane nicht mein Leben durch und wusste, die Entscheidungen sind dann zu treffen, wenn es an der Zeit ist. Es sind nicht nur meine Entscheidungen, sondern auch die Entscheidungen anderer. Die Frage, mache ich es in alleiniger Verantwortung weiter, hat noch mal eine Klärung durch den Berufungsausschuss und die Kirchenkreissynodalen erfordert.
Hätten Sie darüber nachgedacht, sich mit einer anderen Person die Funktion zu teilen?
Hann von Weyhern: Nein, darüber habe ich nie nachgedacht - das ist jetzt das Modell gewesen, und das war gut so. Ich habe aber gut überlegt, wie es für mich weitergehen könnte, und Alternativen erwogen. Das war für mich kein Automatismus, es gibt wirklich viele gute Möglichkeiten für eine Pfarrerin, in dieser Landeskirche tätig zu sein. Die Entscheidung ist gefallen, und ich freue mich sehr darauf, das jetzt in alleiniger Verantwortung weiterzumachen.
Nitsche: Man könnte auch sagen, dass dieser Schritt jetzt ein konsequenter Schritt zu unserem Modell ist. Erfreulicherweise gibt es die jeweiligen Wahlperioden, nach denen man klar auf beiden Seiten sagen kann, jetzt ist es zu Ende. Das entlastet auch sehr, dass man das nicht ein Leben lang machen muss oder ein Ehepaar nicht darauf festgenagelt ist, gemeinsam zu arbeiten. Für mich kommt jetzt aus Lebensaltersgründen eine andere biografische Phase dran, und für dich kommt, es zu einer Selbstverständlichkeit zu machen, dass nach einer Stellenteilung wieder eine ganze Stelle dran sein kann.
"Nicht darauf festgenagelt, gemeinsam zu arbeiten"
Frau Hann von Weyhern, warum freuen Sie sich sehr?
Hann von Weyhern: Berufsbiografisch habe ich noch mehr als acht Jahre vor mir. Ich bin gespannt, was auf mich zukommt. Das sind ja aufregende Zeiten, in denen sich die Kirche sehr verändern wird und wir uns nicht verändern lassen wollen durch zurückgehende Finanzmittel und zurückgehende Mitgliederzahlen. Diese Veränderungen wollen wir als Kirche selber gestalten. Und ich arbeite seit langer Zeit bei PuK mit. Jetzt in einer Kirche mitzuarbeiten, die die Herausforderungen beherzt annimmt, mutig entscheidet, Neues wagt und mit Gottvertrauen voranschreitet, darauf habe ich Lust.
Glaubenskrise und Mitgliederschwund, was muss die Kirche da sonst noch tun außer PuK?
Nitsche: Ja, mit PuK allein kommt man da nicht weiter. Aber mit dem Evangelium kommt man weit. PuK ist der Versuch, das, was uns vom Evangelium als Schatz anvertraut ist, nicht für uns selber zu behalten, sondern in dieser Gesellschaft zu teilen. Es gibt kein besseres Fundament als geistlicher Grund, insbesondere in solchen herausfordernden Veränderungen, wie sie durch Covid-19 noch mal beschleunigt werden. Es gibt nichts Besseres als das Evangelium, das davon spricht, dass wir getrost und unverzagt uns in den Gegenwind und die Veränderungen hineinstellen können. Die Zusage Gottes, mit uns da durchzugehen, ist das Einzige, das wirklich trägt, wenn es darauf ankommt. Wir sind gewaltig in der Herausforderung, auch sichtbar zu machen, dass das, was uns begeistert und trägt, nicht nur etwas für uns ist, sondern ein Angebot an alle Menschen.