Mit der Geburt Jesu kommen das Licht und die Hoffnung in die Welt. Eine der einprägsamsten Weisen, Licht künstlerisch in Szene zu setzen, sind farbig leuchtende Kirchenfenster mit der heiligen Familie, wie sie etwa Marc Chagall (1887-1985) in der katholischen Mainzer Stephanskirche oder Hans Gottfried von Stockhausen (1920-2010) in der evangelischen Stadtkirche von Bad Hersfeld geschaffen haben. Umgesetzt werden die Ideen der Meister in enger Zusammenarbeit mit Glaswerkstätten wie den Derix-Glasstudios im hessischen Taunusstein.
Draußen ist der Himmel grau, von der Sonne ist vor lauter Wolken nichts zu sehen, doch am Fenster strahlen Glasmuster in kräftigen Grün- und Türkistönen. In der Werkstatt der Derix-Glasstudios beugt sich der Künstler Julian Plodek aus Leipzig an diesem trüben Tag mit einem Pinsel über grünes Glas, malt die feine Struktur eines Blattes darauf. Ein Neonlicht unter der Tischplatte erleuchtet die Farben, die Pinselstriche werden später weggeätzt. "Als Maler würde man sich wünschen, so eine Leuchtkraft zu erzielen."
Inspiriert von Holzschnitzereien
Plodek gestaltet ein Fenster für eine kleine evangelische Dorfkirche im thüringischen Altengottern. Eine Stifterin finanziert das Kunstwerk. Dafür hat sich der Maler von den Holzschnitzereien in der Kirche inspirieren lassen und greift die Natur als Motiv auch beim Fenster auf: Knallgrüne Weinpflanzen und rote Rosen ranken ineinander. Wenn alles reibungslos klappt, soll das Fenster noch vor Weihnachten in der Kirche sein.
Die Derix-Glasstudios blicken auf mehr als 150 Jahre Geschichte zurück, zum Team gehören 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vor einigen Jahren übernahm Rainer Schmitt, Glasermeister und Glasbautechniker, die Studios. Seine Tochter steht in der Werkstatt und poliert mit einem Tuch ein rotes Glasstück. Eine Mitarbeiterin packt eine Holzkiste mit Kacheln für eine Wandinstallation in einer Arztpraxis in New York. Projektentwicklerin Anna Rothfuss hält eine der Glasplatten hoch, die Farbverläufe leuchten in kräftigen Blautönen, verändern sich je nach Lichteinfall. "Glas braucht Licht, um zu wirken", sagt die Firmensprecherin. "Die Kunstwerke schaffen eine Atmosphäre und verändern den Raum nachhaltig."
Sonne kreiert prächtiges Farbspiel
Hinter ihr im Holzregal reihen sich Glasplatten in den allerschönsten Farben aneinander. Gerade fertig geworden sind rund 100 Kacheln für die Fassade einer Schule in Kentucky, USA, jede aus blauem mundgeblasenem Echtantikglas per Hand hergestellt. "Jede Tafel ist ein Unikat und hat eine Seele", sagt Rothfuss.
Wie so etwas in groß wirkt, ist in der Galerie der Glasstudios zu bewundern: Neben allerhand anderen Kunstwerken leuchtet dort ein riesiges Glasfenster aus vielen kleinen Quadraten in knallbunten Farben: ein klitzekleiner Ausschnitt des Domfensters, das der Künstler Gerhard Richter für das Südquerhaus des Kölner Doms entworfen hat. Das jüngste beeindruckende Glaskunstwerk Richters sind die Fenster der Abteikirche im saarländischen Tholey, eingeweiht im September.
Wenn die Sonne scheint, entsteht im Galerie-Raum der Glasstudios ein prächtiges Farbspiel. "Gerade die Coronazeit hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie schön es ist, immer wieder in diese bunte Welt zurückkehren zu können", sagt Rothfuss. In der Werkstatt entstehen nicht nur neue Kunstwerke, es werden auch alte Kirchenfenster restauriert. Das älteste Fenster stammte aus dem 14. Jahrhundert: "Ein kleiner Schatz."
Für eine U-Bahn-Station in Taiwan erstellten die Glasstudios in Taunusstein eine gewaltige Glaskuppel mit einem Durchmesser von rund 30 Metern, bestehend aus etwa 4.500 bunten Glasstücken. Drei Jahre lang arbeitete das Team daran. "Mein Traum ist, die Glaskuppel mal in echt zu sehen", sagt die promovierte Historikerin Rothfuss.
Neue Methoden für kreativere Entwürfe
Die Glasstudios wurden 1866 von ihrem Ur-Ur-Großvater gegründet. Damals haben die Werkstätten in der Regel selbst die Glasfenster entworfen, vor allem für Kirchen. Das sei inzwischen anders: "Wir arbeiten nur mit Künstlern, Designern und Architekten zusammen." Das habe einen großen Vorteil: Die Künstler kreierten ganz frei ihre Entwürfe, ohne Rücksicht auf die Grenzen des Materials. Dadurch seien viele neue Techniken entstanden.
So bestehen Glaskunstwerke traditionell aus vielen einzelnen Scheiben, die mit Bleiruten verbunden werden, wie man es aus Kirchen kennt. Doch viele Künstler wollten größere Flächen gestalten, ohne Verbindungselemente. Deshalb entwickelten die Glasstudios neue Methoden, bei denen zum Beispiel die Glasscheiben zusammengeklebt werden. "Wir schauen gemeinsam mit den Künstlern, wie sich ihre Ideen am besten umsetzen lassen", sagt Rothfuss. "Da steckt viel Handarbeit und viel Liebe drin."