Berlin (epd). Vor der für Donnerstag geplanten Veröffentlichung der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu den geplanten Impfungen gegen das Coronavirus mahnen Behindertenvertreter eine frühe Berücksichtigung von Menschen mit Behinderungen an. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Beeck kritisierte am Mittwoch in Berlin, Menschen mit Behinderungen würden "bei der Corona-Impfung übergangen".
Er forderte, insbesondere Schwerst- und Mehrfachbehinderte sowie Menschen mit dem Pflegegrad 4 oder höher und ihre Pflegekräfte müssten schnellstmöglich Zugang zu dem Impfstoff erhalten. In den Impfempfehlungen der Stiko würden sie aber nicht mit sehr hoher Priorität genannt, bemängelte Beeck. Dabei seien viele schwerstbehinderte Menschen seit Beginn der Pandemie nahezu vollständig isoliert.
Der Deutsche Caritasverband bezeichnete die Stiko-Empfehlungen hingegen als sachgerecht. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit, viele Menschen mit einer Behinderung hätten zusätzlich ein anderes Krankheitsbild und würden entsprechend des dadurch erhöhten Risikos durch eine Corona-Infektion von den Stiko-Empfehlungen berücksichtigt.
Der Bundes- und Fachverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie forderte ebenfalls, dass Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderung als erste geimpft werden. Geschäftsführerin Janina Bessenich sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), deshalb müssten sie in den Empfehlungen der Stiko auch konkret in der ersten Gruppe benannt werden. Mit Blick auf die Erfahrungen bei der Verteilung von Schutzkleidung oder Tests erklärte Bessenich: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sie andernfalls übersehen werden."
Bisher werden in den Empfehlungen der Stiko nur geistig behinderte Menschen und Demenzkranke in der zweithöchsten Dringlichkeitskategorie für einen Impfung gegen das Coronavirus ausdrücklich benannt. Die Ständige Impfkommission empfiehlt, die Bevölkerung in einer festen Reihenfolge zu impfen und nennt sechs Kategorien, die sich nach dem Alter und dem gesundheitlichen Risiko richten. Höchste Priorität haben sehr alte Menschen, Heimbewohner Pflegekräfte und medizinisches Personal.
Das Bundesgesundheitsministerium will die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission nach einem dreitägigen Stellungnahme-Verfahren am Donnerstag veröffentlichen. Sie sind die Basis für eine Rechtsverordnung des Ministeriums, die noch im Dezember kommen soll. Die Opposition forderte unterdessen eine gesetzliche Grundlage für die Reihenfolge bei den Corona-Impfungen. Eine Verordnung reiche nicht aus, wenn Impfungen über Leben und Tod entscheiden könnten, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwoch). Auch die Vorsitzende der Linksfraktion, Amira Mohamed Ali und die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, forderten ein Gesetz für die Durchführung der Impfungen.