Nebenkläger Privorozki: Ursprung für Hass in Familie des Angeklagten
Am 24. Prozesstag sind weitere Plädoyers der Nebenklage vorgetragen worden. Auch Juden, die zum Zeitpunkt des Anschlags am 9. Oktober 2019 in der Synagoge waren, bekamen noch einmal das Wort.

Magdeburg (epd). Im Prozess gegen den Synagogen-Attentäter Stephan B. haben sich weitere Nebenklagevertreter den Forderungen der Bundesanwaltschaft nach lebenslanger Haft und anschließender Sicherheitsverwahrung angeschlossen. Neben den Schlussvorträgen der Anwälte ergriffen am Dienstag auch Überlebende aus der Synagoge das Wort. Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, sagte vor dem Oberlandesgericht Naumburg, für ihn sei es wichtig gewesen, das Geschehen zu verstehen, ob es sich wirklich um einen Einzeltäter handelte, ob es Mitwisser oder Unterstützer der Tat gegeben habe.

Privorozki sagte, er meine nach diesem Prozess Antworten gefunden zu haben. Der Ursprung für den Hass des Angeklagten seien weder das Internet noch die Ereignisse vor fünf Jahren. Er sagte: "Die Quelle ist die Familie des Angeklagten." Es sei schade, dass die Eltern von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hätten und so die weitere Aufklärung, wie ihr Kind zum Mörder geworden sei, verhindert hätten. Privorozki betonte zudem, dass es nach dem Attentat eine grenzenlose Solidarität gegeben habe. Mit Blick auf Stephan B. sagte er, der deutsche Steuerzahler habe bisher seine Existenz bezahlt und werde es bis zu seinem Ableben tun.

Christina Feist, die den Anschlag in der Synagoge ebenfalls miterlebte, warnte davor, dass Antisemitismus und Rassismus noch immer tief verwurzelt in der Gesellschaft seien. Das Narrativ vom armen, irren Einzeltäter sei widerlegt worden. Zugleich rief sie zu Mut und Zivilcourage auf und forderte, nicht zu schweigen. Es sei eine moralische Verpflichtung, sich unermüdlich für den Erhalt der Demokratie einzusetzen. Für diese abscheuliche und widerwärtige Tat könne es nur eine angemessene, keine gerechte Strafe geben.

Rechtsanwalt Tobias Böhmke schloss sich dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft an und betonte zugleich, dass politische Agitation in einem Gerichtssaal nichts zu suchen hätte. An den Angeklagten gerichtet sagte er: "Sie sind kein politischer Angeklagter. Sie sind ein Mörder." Nach seiner Einschätzung kennt der Angeklagte das Rechts- und Wertesystem genau und entschied sich bewusst dagegen.

In der vergangenen Woche hatten bereits 13 weitere Nebenklagevertreter plädiert. Der seit Juli laufende Prozess vor dem Oberlandesgericht Naumburg findet aus Sicherheits- und Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt. Insgesamt gibt es 45 Nebenkläger, die von 23 Anwälten vertreten werden. Die Bundesanwaltschaft fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe und anschließende Sicherheitsverwahrung für den Rechtsterroristen. Eine Besucherin aus der Synagoge appellierte in ihrem Schlussvortrag, den Namen des Angeklagten und sein Bild nicht zu verbreiten: "Enough is enough."

B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen Motivation heraus versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, um dort ein Blutbad anzurichten. Zu dem Zeitpunkt hielten sich dort 51 Menschen auf, um gemeinsam den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu feiern. B. scheiterte an der Tür zum Gelände, erschoss dann die 40-jährige Jana L. auf der Straße und den 20-jährigen Kevin S. in einem Döner-Imbiss und verletzte weitere Menschen. Ein Urteil wird für den 21. Dezember erwartet.