Berlin (epd). Das Bundeskabinett hat grünes Licht für eine Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland gegeben. Es brachte am Mittwoch in Berlin den Gesetzentwurf von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) auf den Weg, der ein ganzes Paket von Änderungen bündelt. Giffey sagte, die Reform werde von den Bundesländern und Fachleuten breit unterstützt. Sie sprach von einem "Flagschiffprojekt der Kinder- und Jugendhilfe". Die Reform setze des Wohl der Kinder an erste Stelle. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann.
Die SPD-Politikerin nannte Schwerpunkte. Der Kinderschutz soll verbessert werden. Ärzte, denen Misshandlungen auffallen, sollen enger mit Jugendämtern kooperieren. Die Kontrollen von Heimen und von Auslandsprojekten für Jugendliche sollen verschärft werden, eine Reaktion auf Missstände, die durch die Presse gegangen waren.
Mit dem Gesetz werden die Rechte von Pflegeeltern und leiblichen Eltern eines Kindes neu austariert. Wenn das Kind bei den Pflegeltern dauerhaft besser aufgehoben ist, soll es dort unter bestimmten Umständen auch dauerhaft und nicht nur befristet bleiben können. In diesem Punkt war ein Kompromiss zwischen Union und SPD erforderlich. Die Union hatte einen SPD-Entwurf aus der vergangenen Legislaturperiode abgelehnt, weil ihr die Rechte der leiblichen Eltern zu kurz kamen.
Der Gesetzentwurf sieht auch Verbesserungen für Jugendliche vor, die in Pflegefamilien oder Jugendeinrichtungen leben. Es soll unparteiische Anlauf- und Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche geben, die Hilfe brauchen und Beschwerdestellen für Kinder oder Jugendliche, denen es in Einrichtungen oder bei Pflegefamilien nicht gutgeht.
In Deutschland leben knapp 22 Millionen Kinder und Jugendliche bis 27 Jahre. 1,1 Millionen sind auf die Unterstützung der Jugendämter angewiesen. Weitere 360.000 Kinder und Jugendliche brauchen wegen einer seelischen, körperlichen oder geistigen Behinderung Hilfen. Für 260.000 ist die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen zuständig und für 100.000 mit einer seelischen Behinderung die Kinder- und Jugendhilfe.
Von 2028 an sollen die Jugendämter für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gleichermaßen zuständig sein. Die Bundesländer bekommen sieben Jahre Zeit für eine stufenweise Umstellung. Deutschland kommt damit auch seiner Pflicht zur Inklusion von behinderten Menschen nach. Anfangs erhalten die Familien bei den Jugendämtern nur eine Beratung über alle ihnen zustehenden Leistungen, müssen diese aber noch bei unterschiedlichen stellen beantragen. Von 2028 an sollen sie sich dann nur noch an die Jugendämter wenden müssen.
Die Grünen begrüßten die Reform. Sie enthalte "längst erforderliche Verbesserungen bei Kinderschutz, Inklusion, Beteiligung oder Beratungsansprüchen", erklärte die familienpolitische Sprecherin Ekin Deligöz.
Die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Nadine Schön und der familienpolitische Sprecher Marcus Weinberg erklärten, Kinder, Jugendliche und betroffene Familien erhielten künftig erzieherische Hilfen, bevor die Situation außer Kontrolle gerät. Nur wenn das Wohl der Kinder gefährdet ist, müsse der Staat eingreifen. Giffeys Entwurf sei eine gute Grundlage, erklärten die Unionspolitiker, meldeten aber auch noch Änderungen an.
Der Gesetzentwurf muss nun im Bundestag und Bundesrat beraten und beschlossen werden. Über eine grundlegende Reform der Kinder- und Jugendhilfe wird seit Jahren debattiert. In der vergangenen Legislaturperiode war sie unter anderem am Widerstand der Bundesländer gescheitert.