Diakonie-Pflege-Studie: Personalmangel durch Corona noch verschärft
Eine Studie der Diakonie Deutschland erkundet, wie Altenpflegekräfte die Corona-Zeit durchstehen: durch Zusammenhalt, übermäßige Leistungsbereitschaft und mit Wut im Bauch. Der Personalmangel ist das größte Hindernis bei der Bewältigung der Pandemie.

Berlin (epd). Die Diakonie Deutschland hat ihre eigenen Beschäftigten befragen lassen, wie sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Altenpflege und in der Hospizarbeit erleben. Wichtigstes Ergebnis der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Studie: Die Personalknappheit ist durch die Pandemie noch einmal verstärkt worden. 53 Prozent der Pflegekräfte in der stationären Altenhilfe des evangelischen Wohlfahrtsverbands berichten in der Covid-19-Pflegestudie der Diakonie über zusätzlichen Personalmangel. Zwei Drittel (69 Prozent) geben an, dass sich die Arbeit im Vergleich zu den Zeiten vor der Corona-Krise noch weiter verdichtet hat.

Zu Beginn der Pandemie litten die Beschäftigten unter mangelnder Schutzausstattung. Für mehr als die Hälfte der Befragten war nicht einmal ein einfacher Mund-Nasen-Schutz vorhanden, bei zwei Dritteln mangelte es an den sichereren FFP2- oder FFP3-Masken, und nur 17 Prozent der Pflegekräfte gaben an, dass die Testmöglichkeiten ausreichend waren. Das habe sich verbessert, aber es gebe immer noch nicht genug Tests, sagten zwei Drittel der Befragten im Oktober.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erklärte, allein die Diakonie brauche "Millionen von Tests", um Bewohner und Personal zweimal die Woche testen zu können. Er forderte eine "kohärente, schlüssige Politik für die Heime", um eine unnötige Isolation alter Menschen zu verhindern. Auch das Zusammenspiel mit den örtlichen Behörden müsse besser werden.

Lilie schilderte, die Befragung zeige bei mehr als der Hälfte der Mitarbeitenden auch "einen Gefühlsstau aus Hilflosigkeit und Wut" angesichts der Dauerbelastung. Pflegekräfte, die noch von den Anstrengungen der ersten Corona-Welle gezeichnet seien, kämpften nun gegen die zweite, sagte Lilie. 80 Prozent seien Frauen, die sich außerdem um Kinder und Angehörige kümmern. Die Personallage sei die Achillesferse in der Altenpflege, sagte Lilie. Es fehlten rund 100.000 Pflegekräfte: "Wir müssen diese Stellen besetzen."

Die Covid-19-Pflegestudie gibt auch Auskunft darüber, was die Beschäftigten der Diakonie fordern. Applaus von den Balkonen ist es nicht - das fand nicht einmal jede zweite Altenpflegerin wohltuend. 96 Prozent fordern, die Rahmenbedingungen in ihrem Beruf müssten sich endlich verbessern. 93 Prozent sagen, in der Corona-Pandemie sollten sich die Vorgaben nicht dauernd ändern. 80 Prozent fordern ausreichende Schutzkleidung und 60 Prozent genügend Tests, um die nächste Zeit durchzustehen.

Die Ergebnisse beruhen auf einer repräsentativen Online-Befragung von rund 1.550 Beschäftigten durch die Evangelische Arbeitsstelle midi, die im Oktober in den Hospizen und Pflegeeinrichtungen aller 16 Landesverbände der Diakonie erfolgte. Der Wohlfahrtsverband gehört mit rund 136.200 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern in der Pflege.

Die Ergebnisse der Covid-19-Pflegestudie der Diakonie reihen sich ein in eine Reihe von Untersuchungen über die aktuellen Belastungen und Gefährdungen des Pflegepersonals. So hatten Forscher der Universität Bremen im Frühjahr bekanntgemacht, dass der Anteil der mit Covid-19 infizierten Altenpflegekräfte sechsmal höher war als in der Gesamtbevölkerung.

70 Prozent der Diakonie-Beschäftigten gaben an, dass während der ersten Corona-Welle Kolleginnen und Kollegen in Quarantäne mussten. Ein Viertel musste auf Teammitglieder verzichten, die sich selbst infiziert hatten. Zugleich haben fast alle unter der Höchstbelastung auch einen enormen Zusammenhalt erlebt: 90 Prozent der Pflegekräfte sagen, es seien die Kolleginnen und Kollegen gewesen, die ihnen am meisten geholfen haben durchzuhalten.