In Sprötze in der Nordheide bei Hamburg öffnet sich die erste Tür. Zwei Tonfiguren sind auf einem Holzstamm drapiert: Ein Mann, hinter dem Rücken ein Bündel mit Gepäck, eine Frau, müde sitzend. Mit der Hand streicht sie ihren Bauch. Der evangelische Kirchenkreis Hittfeld schickt in dieser Adventszeit Josef und Maria auf eine digitale Reise durch 17 Kirchengemeinden, 24 Tage lang. "Irgendwie glaube ich tatsächlich, dass alles gut werden kann", legt Pastorin Ulrike Seebo an ihrer Station der biblischen Joseffigur in einem Begleittext in den Mund.
Mit dem Beitrag aus Sprötze hat der niedersächsische Kirchenkreis am Dienstag einen Online-Adventskalender gestartet - und ist damit nicht allein. Denn die Corona-Bestimmungen lassen in diesem Jahr "Lebendige Adventskalender" nicht zu, bei denen sich üblicherweise reihum Menschen in den Vorgärten oder Hinterhöfen von Gastgebern treffen, um Geschichten zu hören oder gemeinsam zu singen. Wie in Hittfeld haben deshalb unter anderem die Kirchenkreise Lüneburg und Uelzen Alternativen im Netz ersonnen. Aber auch Kulturschaffende oder Stadtteil-Initiativen öffnen per Bildschirm täglich Türen und präsentieren Bilder, Texte und Videos.
Kirchen laden zu adventlichen Video-Reisen
"Wunderlicht" heißt die Aktion in Lüneburg, wo der Kirchenkreis über seinen YouTube-Kanal bis zum 6. Januar täglich einen kleinen Filmbeitrag sendet. "Starten Sie ein neues Ritual!", ermuntern die Initiator:innen die Nutzer in einem Trailer. In Uelzen präsentiert der Kirchenkreis Wortbeiträge und Musik - auch zum Mitsingen - online und im örtlichen Bürgerradio.
Bundesweit laden die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, Landeskirchen und weitere Partner ebenfalls zu einer adventlichen Video-Reise mit 24 Stationen ein. Durch die Zeit bis Weihnachten sollen bekannte Texte und Personen führen.
Musikalisch durch die Vorweihnachtszeit
Suchmaschinen listen bei dem Begriff "Online-Adventskalender" zumeist erstmal kommerzielle Formate auf, bei denen etwa gegen die Preisgabe der Adresse zu Werbezwecken Losgewinne locken. Doch in Corona-Zeiten haben auch andere Kalender im Netz Konjunktur. Angesichts der erzwungenen Schließung ihrer Häuser versuchen in diesem Jahr etwa Museen und Theater mit den 24 Türen Kontakt zum Publikum zu halten. So hat das Oldenburgische Staatstheater sein Weihnachtsstück "Heidi", das wie viele andere Inszenierungen noch nicht aufgeführt werden konnte, in 24 kurze Videos zerlegt. Es bietet zudem mit Kulturtipps seiner Mitarbeitenden einen Kalender für Erwachsene an.
Wer sich musikalisch durch den Advent klicken möchte, kann dies auf der Internetseite des Evangelischen Chorverbandes Niedersachsen-Bremen tun oder bei der Initiative "Rudelsingen", die vor Corona vielerorts Menschen zu Mitmachkonzerten versammelte. Advents- und Weihnachtslieder stehen bei dem Chorverband im Mittelpunkt. "Ich hoffe, dass der Kalender die Seele vieler Menschen streicheln wird", sagt Landeskantorin Majka Wiechelt. Die Rudelsänger setzen auf ihr bewährtes Repertoire zwischen Rockklassikern und Schlagern, wie Sprecher David Rauterberg erläutert. "Ja, wir dürfen, müssen gar, sollten und können alle laut singen, gerade im Hier und Jetzt, wenn nicht nur unser Immunsystem eine Extra-Portion Stärkung gut gebrauchen könnte."
Benefizaktion weicht aufs Internet aus
Das "Theater für Niedersachsen" in Hildesheim wartet mit Märchenlesungen, Rezepten, Musik, Gedichten, kleinen Sketchen "und viel Vorfreude auf das Fest der Liebe" auf, wie es auf seiner Homepage verspricht. Das Historische Museum in Hannover zeigt auf seiner Homepage und bei Facebook bis zum Heiligen Abend Aufnahmen aus seiner Fotosammlung und von Museumsschätzen rund um Advent und Weihnachten.
Die Stadt Oldenburg bietet auf ihren Kinderseiten ebenfalls einen Kalender an. In Hannover nutzen Stadtteilinitiativen die Aktion, um in Kontakt zu bleiben. In Linden-Süd zum Beispiel sind Einrichtungen und Akteure zum Mitmachen aufgerufen, die üblicherweise am "Lebendigen Adventskalender" beteiligt sind. Und das hannoversche Krankenhaus "Auf der Bult" verknüpft 24 Kurzporträts aus dem Arbeitsalltag der Mitarbeiter:innen mit einer Benefiz-Aktion für die medizinische Versorgung von Kindern. Spender unterstützen dabei symbolisch Schritte, die Ärzte und Pflegepersonal alltäglich zurücklegen.