Essen (epd). Der Sozialaktivist und Leiter des Essener VielRespektZentrums, Ali Can, hat eine Debatte über die Definition deutscher Identität gefordert. "Deutschsein ist Vielfalt, Deutschsein ist die Summe der Menschen, die hier leben", erklärte Can am Donnerstagabend bei einer Online-Veranstaltung der Essener Stiftung Mercator zum Thema Rassismus. Es habe schon immer unterschiedliche Menschen gegeben, die verschiedene Facetten einer Kultur repräsentiert hätten. "Ich glaube, eine homogene Kultur hat in der Geschichte noch nie existiert", sagte Can. Die Überzeugung, dass es in der Gesellschaft Gruppen gebe, die sich klar abgrenzen lassen, führe zu Rassismus.
Alltagsrassismus sei in Deutschland weit verbreitet, stellte Can fest. Das zeige sich an den vielen Berichten Betroffener. Can hatte im Sommer 2018 das Hashtag #MeTwo in den sozialen Medien initiiert, unter dem Tausende Menschen von ihren alltäglichen Rassismuserfahrungen berichteten. "Das deutet darauf hin, dass es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist", betonte er.
Rassismus entsteht nach seiner Erfahrung dadurch, dass viele Menschen das Gefühl von Verlust hätten, sagte Can. "Es ist ein Destillat an allgemeinen Umbrüchen in unserer Gesellschaft." Can ist Gründer der "Hotline für besorgte Bürger" und veröffentlichte vor drei Jahren ein Buch über seine Gespräche mit Menschen über Zuwanderung und Rassismus.
"Bei der Hotline habe ich immer wieder gemerkt, dass Flüchtlinge ein Ventil sind." Zugewanderte Menschen seien oftmals eine Projektionsfläche für soziale Probleme und die Ängste vor gesellschaftlicher Veränderung. Das Zusammenleben mit unterschiedlichen Kulturen sei eine Herausforderung für viele Menschen, weil es unbequem sei. Zugleich sei es eine Chance, den eigenen Horizont zu erweitern. "Es ist ein Wachstumsschmerz, der aber zugemutet werden muss", betonte er.