Weihnachtserwartungen
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"Wir dürfen Weihnachten nicht überfrachten, das tut dem Fest nicht gut", sagte Margot Käßmann.
Käßmann: Anderes Weihnachten als Chance begreifen
Theologe Becker-Huberti: Bedeutung des Festes neu entdecken
"Weihnachten wird in diesem Jahr anders sein unter Corona-Bedingungen, damit müssen wir uns abfinden", sagt Margot Käßmann und sieht zugleich die Chance, sich vom sonst üblichen Weihnachtsstress zu entlasten.

Frankfurt a.M. (epd). Die evangelische Theologin Margot Käßmann warnt vor überhöhten Erwartungen an das Weihnachtsfest. "Weihnachten wird in diesem Jahr anders sein unter Corona-Bedingungen, damit müssen wir uns abfinden", sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der katholische Theologe Manfred Becker-Huberti empfahl Familien die Rückbesinnung auf christliche Bräuche, um die Weihnachtsbotschaft neu zur Geltung zu bringen.

Käßmann sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, durch die Idee eines "Kontaktfastens auf Weihnachten hin" werde ein Druck geschürt, "als wäre da alles anders, als es sonst ist im Leben". Diese Erwartung könne das Fest nicht erfüllen. Sie sehe in den diesjährigen Feiertagen aber auch eine Chance, sich vom sonst üblichen Weihnachtsstress zu entlasten, erklärte Käßmann. Stattdessen könnten sich die Menschen vielleicht darauf besinnen, was wirklich wichtig sei im Leben. "Es muss nicht alles perfekt und harmonisch sein", sagte Käßmann.

Sie riet dazu, keine Pläne zu machen, die nicht erfüllbar seien, sondern flexibel zu sein. Die größte Furcht vieler Menschen über Weihnachten sei Einsamkeit. Daher seien klare Absprachen in den Familien notwendig, "damit nicht Einzelne total enttäuscht sind in ihren Erwartungen", sagte die Theologin.

Der Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), wenn die Feiern kleiner ausfallen, auf Geschenke im Übermaß und Völlerei an den Festtagen verzichtet wird, habe jeder die Chance, die christliche Bedeutung des Festes stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Unter anderem empfahl er, biblische Texte zu lesen und in der Familie darüber zu sprechen. Beim Festessen sei es ein schöner Brauch, ein zusätzliches Gedeck vorzusehen. Es symbolisiere, dass ein Bedürftiger Platz findet, sollte er unerwartet an die Tür klopfen. Auch der Brauch, eine Woche vor Heiligabend am 17. Dezember das Christkindle einzuläuten, weise darauf hin, dass alle Nachbarn, aber auch Obdachlose, alleinstehende und kranke Menschen zu Weihnachten eingeladen seien.

Becker-Huberti nannte es rückblickend "nicht sehr klug" von der Politik, mit den seit Anfang November geltenden Kontaktbeschränkungen den Menschen Hoffnungen auf ein Weihnachtsfest wie in jedem Jahr gemacht zu haben. Unabhängig davon, ob jemand Weihnachten wegen seiner religiösen Botschaft wertschätze, sich auf arbeitsfreie Zeit oder das ausgiebige Feiern mit Freunden und Verwandten freue, habe das Fest eine besondere emotionale Bedeutung. "Man sollte nichts versprechen, was man nicht halten kann", sagte der Theologieprofessor und fügte hinzu: "Dass die Infektionszahlen nicht entscheidend gesunken sind, liegt nicht an den Politikerinnen und Politikern, sondern an Teilen der Bevölkerung, die auf das Feiern nicht verzichten wollten."

Frank Hofmann, Chefredakteur des ökumenischen Vereins "Andere Zeiten" in Hamburg, sagte dem epd, in diesem Jahr werde die Adventszeit für viele das, was sie in der christlichen Tradition schon immer gewesen ist: eine Fastenzeit. "Leider eine unfreiwillige. Trotzdem können wir uns im Verzicht unserer Bedürfnisse bewusstwerden und neue Wertschätzung für das Vermisste entwickeln", sagte er.

epd lnh/kfr jup