Als er aber am Galiläischen Meer entlangging, sah er Simon und Andreas, Simons Bruder, wie sie ihre Netze ins Meer warfen; denn sie waren Fischer. Und Jesus sprach zu ihnen: Kommt, folgt mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen! Und sogleich verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach. Und als er ein wenig weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder, wie sie im Boot die Netze flickten. Und sogleich rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus im Boot mit den Tagelöhnern und gingen fort, ihm nach.
Markus 1,16–20 (hier vorgelesen von Helge Heynold)
Liebe Fastengemeinde,
willkommen, schon fast im Advent! Wussten Sie, dass der Advent auch eine Fastenzeit ist? Das mag man angesichts der Schlemmereien, die üblicherweise in die Zeit vor Weihnachten gehören, kaum glauben, aber so ist es. Vor den beiden größten Festen, Ostern und Weihnachten, wird gefastet. Absichtlich auf etwas zu verzichten, ist eine gute Weise, die Vorfreude auf die Zeit zu steigern, in der man wieder alles hat. Wir verzichten in diesem Jahr schon recht lange und darüber hinaus unfreiwillig, dennoch merke ich ab und an, wie sich in mir schon Vorfreude zeigt auf die Zeit, in der ich wieder mit vielen anderen Menschen zusammenkommen und auch feiern kann. Aber dass das zu Weihnachten sein wird, ist unwahrscheinlich.
Ich bin erstaunt, wie wertvoll mir auf einmal Dinge erscheinen, die ich bisher als selbstverständlich empfunden habe. Ich könnte mir gut eine Adventszeit vorstellen, in der nicht täglich ein neues Türchen aufgeht, hinter der sich etwas zum Freuen versteckt, sondern eine Zeit, in der wir täglich eine Sache, die wir gernhaben, verstecken lassen, um sie erst zu Weihnachten zurückzubekommen. Für dieses Jahr allerdings halte ich diese Idee für unpassend, eben weil wir bereits auf so vieles verzichten müssen. Wir brauchen darum eine andere Art, unsere Vorfreude auf Weihnachten zu wecken und zu steigern.
Als Hinweis darauf, wie das gehen könnte, habe ich für diese Woche eine biblische Geschichte ausgesucht, die mich immer wieder erstaunt, wenn ich sie lese: Jesus beruft seine ersten vier Jünger. Er geht an den Strand, sieht den Fischern bei ihrer Arbeit zu und ruft ihnen zu: „Kommt, folgt mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen!“ Das allein ist schon erstaunlich. Einfach eine Aufforderung, das bisherige Leben über den Haufen zu werfen, gefolgt von einer recht unkonkreten Beschreibung der künftigen Beschäftigung.
Noch erstaunlicher als diese Aufforderung finde ich allerdings die Reaktion der vier jungen Männer. Sie lassen buchstäblich alles stehen und liegen und gehen mit Jesus. Sie lassen nicht nur ihre Arbeit hinter sich, sie verlassen auch ihre Familien. Der Vater von Johannes und Jakobus sitzt plötzlich ohne seine Söhne mit den zur Hälfte geflickten Netzen im Boot. Jesus ruft sie auf, „sogleich“ gehen sie mit. Wenn man das mit anderen Berufungsgeschichten aus der Bibel vergleicht, ist diese sofortige Bereitschaft der vier Jünger noch einmal erstaunlicher. Gott musste Mose lange überreden und wurde am Ende richtig sauer, weil der sich so lange gegen seine Berufung sträubte. Jona wollte gleich ans andere Ende der Welt fliehen, als Gott ihn berief. Jeremia führte an, dass er zu jung sei.
Man kann spekulieren, was die vier letztlich dazu gebracht hat, dass sie mit Jesus gingen. Man kann überlegen, was sie sich erhofften, letztlich kann man aber nur feststellen, dass sie Jesus anscheinend vertrauten, dass dieses neue Leben ein gutes Leben sein würde. Was immer sie sich unter „Menschenfischern“ vorgestellt hatten, sie ergriffen die Gelegenheit, genau das zu werden. Alle vier sagten spontan „Okay“ zu einer drastischen Veränderung in ihrem Leben. Das ist beeindruckend und vorbildlich.
Weihnachten wird in diesem Jahr anders sein, als wir es kennen. Wir werden nicht nur bis Weihnachten auf viel verzichten müssen, das uns lieb ist, sondern auch an den Feiertagen selbst. Corona ist vorbeigekommen und hat gesagt: „Kommt mit, ich verändere euer Leben von jetzt auf gleich!“ Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir diesem anderen Leben zumindest so weit trauen, dass wir mitmachen. Sich auf Weihnachten zu freuen, klappt in diesem Jahr nur, wenn wir „Okay“ sagen zu der anderen Art, in der wir feiern werden. Ich kann mir vorstellen, dass Simon, Andreas, Johannes und Jakobus sich ihr altes Leben immer wieder einmal sehnlich zurückgewünscht haben in der Zeit mit Jesus und noch später. Simon versucht, nach dem Tod Jesu tatsächlich noch einmal fischen zu gehen. Aber sie alle sind da längst Menschenfischer geworden, und als die machen sie weiter.
Meine Wochenaufgabe lautet darum: Nehmen Sie sich Dinge vor, die zu Weihnachten garantiert funktionieren, und zwar unabhängig davon, wie stark die Kontakteinschränkungen noch voranschreiten. Seien es Telefonate, ein besonderes Essen, ein Gottesdienst im Rundfunk, eine bestimmte Lektüre. Es gibt viele Möglichkeiten. Wie wäre es, wenn Sie ab dem 1. Advent jeden Tag eine neue kleine Idee aufschreiben, was Sie an den Feiertagen tatsächlich machen können? So können Sie sich an einer wachsenden Liste freuen, und Ihre Vorfreude auf Weihnachten wächst mit.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit!
Ihr Frank Muchlinsky