Hannover (epd). Bei fast einem Viertel der Deutschen verändert die Corona-Pandemie einer Umfrage zufolge die Beziehung zu Freunden. Durch die auferlegten Kontaktbeschränkungen würden die Menschen dazu gezwungen, ihre Freundschaften zu priorisieren, erläuterte dazu der Soziologe Janosch Schobin in der Wochenendbeilage "Sonntag" der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". "Man kann sich nicht mehr mit fünf Freunden gleichzeitig treffen. Als Freund muss ich mir also überlegen, wer von meinen Freunden wie viel Aufmerksamkeit bekommt." Der Kasseler Soziologe war an einer internationalen Studie des amerikanischen Social-Media-Unternehmens Snap Inc. beteiligt.
Insgesamt hätten 23 Prozent der deutschen Befragten angegeben, dass sich mindestens eine ihrer Freundschaften während der Pandemie verändert habe. Diese relativ hohe Zahl spreche dafür, dass die aktuelle Krise für viele Menschen recht einschneidend sei, sagte Schobin. Denn Freundschaften veränderten sich vor allem sehr stark an Lebensumbrüchen, wie dem Beginn eines Studiums oder einer Partnerschaft.
Die Daten der Studie legten nahe, dass die Menschen sich zunächst auf die engen und wichtigeren Freunde fokussierten, berichtete der Soziologe. "Das Problem ist, dass man oft nicht weiß, ob man seinem Freund genauso wichtig ist, wie er einem selbst." Es gebe also innerhalb des Freundeskreises unterschiedliche Wege, wie das für einen selbst ausgehen könne.
"Für den einen kann es gut laufen, weil er viel Aufmerksamkeit bekommt." Andere, die die Erfahrung machen, dass sie weiter hinten positioniert werden, müssen Schobin zufolge Enttäuschungserfahrungen verarbeiten. "Es könnte aber auch sein, dass die enttäuschten Menschen auf Beziehungen zurückgreifen, die sie selbst weiter nach hinten gestellt haben und diese intensivieren."
Die Daten zeigten ferner, dass die digitalen Medien für die meisten Menschen enorm wichtig seien, um ihre Freundschaften zu pflegen. In normalen Zeiten sei Kommunikation über digitale Medien durchaus oft ein schlechter Ersatz für ein reales Treffen. "In der aktuellen Gesundheitskrise waren sie jedoch sicher ein Segen." Die Studie mache aber auch deutlich, dass die Kommunikation über Medien nicht komplett kompensieren könne, was durch die Krise an sozialer Isolation entstehe. "Viele sagen, dass sie sich einsamer als vor der Krise fühlen. Ohne die digitalen Medien wäre das aber vermutlich noch viel schlimmer gewesen."