Bergen (epd). In der niedersächsischen Stadt Bergen ist ein Streit um die Rolle der Wehrmacht in der NS-Zeit zwischen Teilen des Stadtrates und der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen beigelegt worden. Der Stadtrat stimmte am Donnerstagabend nach Angaben der parteilosen Bürgermeisterin Claudia Dettmar-Müller mit großer Mehrheit einer Erklärung zu, die von der Stadt und der Gedenkstätte zum Weltfriedenstag am 21. September verfasst worden war. Darin heißt es: "Während des Zweiten Weltkrieges haben SS und Wehrmacht vor unserer Haustür unvorstellbare Verbrechen begangen." Lediglich von der AfD habe es eine Gegenstimme und eine Enthaltung gegeben.
Der Verwaltungsausschuss der Stadt hatte der Gedenkstätte zufolge ursprünglich mit den Stimmen von CDU und FDP beschlossen, den Text zu ändern und "Teile der Wehrmacht" zu schreiben. Der kommissarische Leiter der Gedenkstätte, Jens Binner, hatte diese Formulierung als unsinnig kritisiert. Sie stehe für ein überholtes Geschichtsbild, das an die 1950er Jahre erinnere. Die CDU-Fraktion, die 16 von 31 Abgeordneten stellt, habe sich jetzt entschieden, dem Original-Wortlaut zuzustimmen, sagte ihr Vorsitzender Eckart Borges dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Wir sind für eine gute Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte in Bergen-Belsen."
Gedenkstätten-Leiter Binner begrüßte die Entscheidung: "Damit bestätigt der Stadtrat, dass er auch in Zukunft der besonderen Verantwortung gerecht wird, die sich aus der Geschichte von Bergen-Belsen als ehemaliger Standort eines Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagers während der Zeit des Nationalsozialismus ergibt."
Bürgermeisterin Dettmar-Müller hatte die in Absprache mit dem früheren Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner verfasste Erklärung am Weltfriedenstag verlesen. Binner zufolge bezog sich der Text auch auf die im Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager Bergen-Belsen begangenen Verbrechen. In dem Lager starben rund 20.000 Kriegsgefangene und rund 52.000 KZ-Häftlinge.
"SS und Wehrmacht, waren für ungeheuerliche Verbrechen und Millionen Tote verantwortlich", sagte Binner. "Das bedeutet nicht, dass sich alle Wehrmachtssoldaten an Verbrechen beteiligt haben." Spätestens nach der zweiten Wehrmachtsausstellung von Anfang der 2000er Jahre sei aber allgemein anerkannt, dass sich Verbände der Wehrmacht und die Institution selbst schwerwiegender Verbrechen schuldig gemacht haben.
Durch Äußerungen des früheren Gedenkstättenleiters Wagner bei Twitter hatte der Streit auch überregional Aufmerksamkeit erlangt. Wagner ist mittlerweile als Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora nach Thüringen gewechselt. Er twitterte noch am Donnerstagabend: "Geschichtsbewusstsein und demokratische Verantwortung haben sich offenbar durchgesetzt."