Berlin (epd). Die Armutsquote in Deutschland hat nach dem aktuellen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes mit 15,9 Prozent den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht. Der Verband warnt in seiner am Freitag in Berlin vorgestellten Studie, dass die Corona-Krise Armut und soziale Ungleichheit verschärfen werde. Er warf der Bundesregierung angesichts von 13,2 Millionen Menschen in Armut eine "armutspolitische Verweigerungshaltung" vor und forderte eine sofortige Anhebung der finanziellen Unterstützungsleistungen für arme Menschen sowie armutsfeste Reformen der Sozialversicherungen.
"Die vorliegenden Daten zur regionalen Verteilung, zur Entwicklung und zur Struktur der Armut zeigen Deutschland als ein in wachsender Ungleichheit tief zerrissenes Land", stellte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, fest. Der Studie zufolge hat die Armut bei den besonders armutsbetroffenen Gruppen wie Alleinerziehenden, Arbeitslosen und kinderreichen Familien von 2018 zu 2019 zugenommen. Die jüngst positiven Entwicklungen in den ostdeutschen Bundesländern seien gestoppt.
Der Paritätische stützt sich bei seinen Berechnungen auf den Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Bei der Berechnung der Armutsquoten zählt jede Person als einkommensarm, die mit ihren Einkünften unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt.
Armutsgeografisch zerfalle Deutschland in zwei Teile: Im gut gestellten Süden hätten Bayern und Baden-Württemberg eine gemeinsame Armutsquote von 12,1 Prozent. Der Rest der Republik komme auf eine Quote von 17,4 Prozent. Damit lebe außerhalb von Bayern und Baden-Württemberg durchschnittlich mehr als jeder Sechste unterhalb der Armutsgrenze.
Das problematischste Bundesland bleibe Nordrhein-Westfalen: Seit 2006 sei die Armutsquote in dem bevölkerungsreichen Bundesland zweieinhalbmal so schnell gewachsen wie die gesamtdeutsche Quote. Armutstreiber in Nordrhein-Westfalen sei das Ruhrgebiet mit einer Armutsquote von 21,4 Prozent. "Das größte Ballungsgebiet Deutschlands muss damit zweifellos als Problemregion Nummer 1 gelten", heißt es im Armutsbericht des Paritätischen.