Berlin (epd). Jeder sechste Bundesbürger ist offenbar bereit, ein Kind zu ohrfeigen. Fast jeder zweite Befragte ist zudem der Auffassung, "dass ein Klaps auf den Hintern noch keinem Kind geschadet hat", wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm hervorgeht. Die repräsentative Studie über Einstellungen zu Körperstrafen und elterliches Erziehungsverhalten wurde unter rund 2.500 Bundesbürgern im Auftrag von Unicef Deutschland und dem Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) durchgeführt.
Gefordert wird, das Bewusstsein für alltägliche Gewalt gegen Kinder zu schärfen. Das Recht auf gewaltfreie Erziehung müsse gestärkt und umgesetzt werden. Insbesondere das Ausmaß und die negativen Folgen psychischer Gewalt gegen Kinder würden bislang weitgehend unterschätzt, sagte der Ärztliche Direktor der Ulmer Klinik, Jörg Fegert.
Die Studie wurde anlässlich des Internationalen Tages der Kinderrechte am 20. November veröffentlicht. Laut der Umfrage halten in Deutschland immer noch 17,6 Prozent der Befragten eine "leichte Ohrfeige" als Erziehungsmethode für angebracht. Im Jahr 2005 hätten dieser Aussage noch 53,7 Prozent zugestimmt. Einen "Klaps auf den Hintern" finden aktuell 44,7 Prozent gerechtfertigt. 2005 seien es noch rund drei Viertel gewesen.
Trotz sinkender Akzeptanz von körperlicher Bestrafung blieben insbesondere leichte Körperstrafen bei einem erschreckenden Teil der deutschen Bevölkerung weiter verbreitet, kritisierten Unicef und Kinderschutzbund. Die Zustimmung sei bei Männern größer als bei Frauen. Auch ältere Befragte sowie Personen, die selbst Gewalt erfahren haben, akzeptieren stärker Gewalt in der Erziehung.
Das Recht auf gewaltfreie Erziehung habe zwar wesentlich dazu beigetragen, einen neuen Tiefstand bei der Akzeptanz körperlicher Strafen zu erreichen, sagte der Kinder- und Jugendpsychiater Feger. Dennoch würden zu viele Menschen körperliche Übergriffe wie Ohrfeigen verharmlosen. Psychische Gewalt, die häufigste Form der Misshandlung, werde zudem zu häufig tabuisiert.
"Gewalt gegen Kinder, ganz gleich in welcher Form, hinterlässt bei Kindern Spuren und untergräbt ihre Würde", sagte der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider. Die Kinderschutzbund-Vizepräsidentin und Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz (Grüne) betonte, "das Recht jedes Kindes auf gewaltfreie Erziehung geht weit über den Verzicht auf körperliche Bestrafung hinaus". Die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz sei deshalb ein längst überfälliger Schritt.
Auch der Ulmer Klinikdirektor Fegert sagte, Kinderrechte in der Verfassung seien kein symbolischer Akt, "sondern dann wird deutlich, dass Kinder in Würde gewaltfrei aufwachsen sollen". Unicef und Kinderschutzbund forderten zudem mehr Aufklärungskampagnen und eine bessere Datenlage zu dem Thema, da Gewalt gegen Kinder Folgen für das ganze Leben habe.