Magdeburg (epd). Der Anschlag auf die Synagoge in Halle vor über einem Jahr ereignete sich nach Einschätzung eines Experten nicht im gesellschaftlichen Vakuum. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. (RIAS), Benjamin Steinitz, berichtete am Dienstag im Prozess gegen den Synagogen-Attentäter Stephan B. vor dem Oberlandesgericht Naumburg über die Auswirkungen der Tat auf das jüdische Leben in Deutschland. Es sei eine weitere Tat in einer langen Kette gewesen. Antisemitismus und gezieltes Töten von Juden habe nach 1945 nicht aufgehört, sagte Steinitz.
Zu Beginn des 20. Prozesstages hatte das Gericht einen Antrag der Verteidigung abgelehnt, die das Verfahren unterbrechen oder aussetzen wollte. Letzteres hätte einen kompletten Neubeginn des Prozesses erforderlich gemacht. Es ging dabei um einen möglichen weiteren Mordversuch, der dem Angeklagten angelastet werden könnte. Stephan B. hatte auf seiner Flucht mit einem Auto in Halle einen Somalier angefahren. Aus Sicht des Gerichts handelte es sich dabei aber nicht um neue Tatsachen.
B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen Motivation heraus einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt. Weil es ihm nicht gelang, mit Sprengsätzen und Schusswaffen in die Synagoge einzudringen, erschoss er eine 40 Jahre alte Passantin und anschließend in einem Döner-Imbiss einen 20-jährigen Mann. Die Bundesanwaltschaft hat B. wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten angeklagt. B. droht eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung.