Geöffnete Kirchentür der St.-Andreas-Kirche in Verden in Niedersachsen.
©epd-bild/Jens Schulze
Geöffnete Gotteshäuser können in der Corona-Krise zu "Trosträumen" für die Menschen werden, sagen die niedersächsischen Bischöfe.
Kirchen sollten als "Trosträume" geöffnet sein
Die Kirchen sollten als "Trosträume" für die Menschen möglichst geöffnet sein, so haben es die Bischöfe aus Niedersachsen in einem Wort zur Corona-Krise geschrieben. In der Praxis wird das unterschiedlich gehandhabt und birgt Herausforderungen.
24.11.2020
epd
Charlotte Morgenthal und Karen Miether

Pastor Frank Blase spricht von einem Rekord. Nach seinen Beobachtungen haben noch nie so viele Menschen die "Ole Kerk" in Bispingen besucht wie in diesem Sommer. "Ich kann ein ganzes Buch schreiben über die Begegnungen." Die Kirche mit Ursprüngen im Jahr 1353 liegt mitten in der Touristenhochburg Lüneburger Heide. Seit es nach den Hygienebestimmungen in der Corona-Pandemie wieder möglich ist, sind ihre Türen geöffnet - derzeit täglich von sechs bis 18 Uhr. Und nicht nur Urlauber kommen einfach mal so in den Feldsteinbau, sagt Blase. "Auch Kita-Kinder aus dem Dorf zünden dort mal eine Kerze an."

Es sei entscheidend, Kirchengebäude "mit der gebotenen Verantwortung und Vorsicht" als Trosträume offen zu halten, so haben es die evangelischen und katholischen Bischöfe in Niedersachsen Ende Oktober in einem gemeinsamen Wort zur Corona-Krise formuliert. Gehandhabt wird das ganz unterschiedlich, denn für die Gemeinden stellen sich besonders im Winter Herausforderungen. Schon im Sommer konnten etwa die mehr als 300 Kirchen, die allein in der hannoverschen Landeskirche für garantierte Zeiten mit dem Signet "verlässlich geöffnet" ausgezeichnet sind, diese nicht immer bieten.

Beten, Kerzen und Trost

"Wir haben die Verlässlichkeit im Sommer ausgesetzt", sagt Klaus Stemmann von der Tourismusseelsorge der Landeskirche. "Das Gros der ehrenamtlichen Kirchenwachen gehört zur Risikogruppe." Dennoch hätten sich viele Gemeinden mit aufwendigen Hygieneplänen bemüht, Standards einzuhalten. Mit sinkenden Temperaturen aber hielten es die Ehrenamtlichen in kalten Kirchen nicht den ganzen Tag aus. Dennoch ermutige die Initiative "Offene Kirche" dazu, auch über die Ende Oktober beendete Saison hinaus "mit Augenmaß und in Eigenverantwortung" weiter Zutritt zu den Kirchen zu ermöglichen.

Dass vielerorts die Pfarrer und Kirchenvorstände alles tun, um den Menschen einen Zugang zu den Gotteshäusern zu ermöglichen, sieht auch der Küster der St.-Andreas-Kirche in Braunschweig, Lothar Püster. Die Öffnungszeiten seien allerdings verschieden, sagt der frühere Vorsitzende des Deutschen evangelischen Küsterbunds. Während die Innenstadtkirchen wie der Braunschweiger Dom täglich mehrere Stunden öffneten, seien andere, insbesondere in kleinen Gemeinden auf dem Land nur zu Gottesdiensten für Besucher zugänglich. Wenn allerdings ein Zugang gewährleistet werde, könnten die Menschen in den Kirchen wieder Beten, Kerzen entzünden, die Sorgen hinter sich lassen und Trost finden. "Vielleicht nicht gleichzeitig alle oder so lange wie früher."

Flagge zeigen - Regeln beachten

Der Vorsitzende der Küstervereinigung im Verband kirchlicher Mitarbeiter in Hannover, Rüdiger Busch, sieht schon in der Öffnung der Kirchen zu den Gottesdiensten eine Sondersituation. "Wir stehen weiter unter Beobachtung." Zu anderen Zeiten sei es allerdings oft schwierig, den Überblick über die Einhaltung von Abständen zu behalten, wenn jemand beispielsweise länger in einer Andachtsecke verweilt und andere dazukommen. "Wir müssen Flagge zeigen und uns an die Regeln halten."

Es sind oft praktische Gründe, warum Öffnungszeiten eingeschränkt werden. Die zentrale St. Johanniskirche in Lüneburg besuchen laut Pastor Diederik Noordveld rund 200.000 Menschen pro Jahr. Zuletzt seien es allerdings nur noch im Schnitt vier pro Stunde gewesen. Seit in der Einkaufszone Maskenpflicht herrsche, gehe mit der Zahl der Passanten auch die der Kirchengäste zurück. Jetzt hat St. Johannis von Dienstag bis Sonnabend je eineinhalb Stunden offen. "Es ist uns vor allem wichtig, dass die Lüneburger regelmäßig in ihre Kirche kommen können", unterstreicht Noordveld.

In den ländlichen Regionen zwischen Braunschweig und Helmstedt mangelt es schlichtweg an Aufsichtspersonen, um die Kirchen durchgängig zu öffnen, sagt Pfarrer Martin Cachej. Die historischen Dorfkirchen würden allerdings auch eher als musealer Besuchsort von Touristen angesteuert. Ob die Kirchenräume daher wirklich als "Trosträume" gebraucht würden, sei fraglich. "In den umliegenden Dörfern haben wir das Glück, dass es eine gute Sozialstruktur gibt und die Menschen füreinander da sind."

Auch in Bispingen endet die Saison der tägliche Kirchenöffnungen üblicherweise Ende November. Und in diesem Jahr? Das ist noch unklar, sagt Pastor Blase: "Man kann ja im Moment nicht weit planen."