Köln (epd). Die geplante Novelle des Infektionsschutzgesetzes ist nach Einschätzung des früheren nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtspräsidenten Michael Bertrams nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Gesetzentwurf, mit dem die große Koalition die Corona-Schutzmaßnahmen rechtssicher machen will, werde mangels inhaltlicher Klarheit dem vom Grundgesetz geforderten Bestimmtheitsgebot nicht gerecht, schreibt Bertrams in einem Beitrag für den "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag).
Der Entwurf sei "mit heißer Nadel gestrickt" und müsse mit Blick auf den "vermutlich in die Verlängerung gehenden November-Lockdown" schnell und gründlich nachgebessert werden, rät der Jurist. Anderenfalls dürften die Regelungen vor Gericht kaum Bestand haben.
Der Entwurf, über den der Bundestag am 6. November in erster Lesung beraten hatte, nehme für sich in Anspruch, alle wesentlichen Entscheidungen zu regeln, mit denen der Bund oder die Länder Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie per Rechtsverordnung in Kraft setzen können, schreibt Bertrams. "Davon kann jedoch keine Rede sein." So lasse sich der bloßen Auflistung typischer Corona-Schutzmaßnahmen im Gesetz ohne jede Abwägung mit den betroffenen Freiheitsrechten nicht entnehmen, welche Vorschriften und Verbote unter welchen Voraussetzungen angewendet werden sollen.
Offen bleibe auch, welche Maßnahmen in einer kritischen Infektionslage mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner geeignet, notwendig und verhältnismäßig seien, moniert der ehemalige Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs. Beispielsweise werde nicht klar, "warum ausgerechnet die Schließung von Restaurants einer besonderen Infektionslage Rechnung tragen soll".