Bremen, Göttingen (epd). Der Göttinger Angstforscher Borwin Bandelow glaubt, dass die sprichwörtliche deutsche Ängstlichkeit der Bundesrepublik hilft, besser durch die Corona-Pandemie zu kommen. Die Zahl derer, die trotz der "German Angst" das Virus auf die leichte Schulter nehmen, habe zwar seit dem Sommer stark zugenommen, sagte Bandelow dem Bremer "Weserkurier" (Sonntag). "Doch der Großteil der Deutschen ist nach wie vor vorsichtig und befolgt die Regeln."
Der positive Effekt dieser Vorsicht lasse sich auch in anderen Nationen beobachten, ergänzte der Ehrenvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Angstforschung. "Schauen Sie nach Japan oder nach Finnland, es gibt viele Beispiele: Sämtliche Länder, in denen die Menschen traditionell als eher ängstlich und zurückhaltend gelten, sind bisher vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen."
Die kommenden Monate würden dennoch schwierig für die Bevölkerung, warnte Bandelow. "Man spürt, eine düstere Stimmung zieht gerade auf. Jetzt kommen die Wintermonate, eine Zeit, in der viele Menschen psychisch ohnehin labiler sind." Vereinsamung treffe dabei vor allem die, die vor Corona viele Kontakte hatten. "Es sind vor allem die jüngeren Menschen, für die die neuen Einschränkungen drastisch spürbar werden. Was vielen zusätzlich zusetzen dürfte, ist diese neue Aussichtslosigkeit."
Grundsätzlich halte er eine Mischung "aus Ehrfurcht und gesundem Fatalismus" für das richtige Rezept im Umgang mit der Corona-Krise, sagte Bandelow. "Natürlich sollte man die Gefahr, die von diesem Virus ausgeht, ernst nehmen." Es helfe allerdings auch, mal abzuschalten "und vielleicht nicht jeden Morgen nach dem Aufstehen sofort die neuesten Infektionszahlen zu analysieren".