Mainz (epd). Die Corona-Krise hat auf die Fallzahlen von Kindeswohlgefährdungen und die Arbeit der Jugendämter offenbar deutlich geringere Auswirkungen, als zu Beginn der Pandemie befürchtet. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Freitag in Mainz vorgestellte Studie des Instituts für Sozialpädagogische Forschung (ism). Die Jugendämter hätten unter Bedingungen der Pandemie weiterhin gut funktioniert, sagte ism-Geschäftsführer Heinz Müller. Obwohl Schulen und Kindergärten im Frühjahr über Wochen hinweg geschlossen waren, seien die Mitarbeiter einer konstanten Zahl von gemeldeten Verdachtsfällen nachgegangen.
"Wir sehen sogar mehr Meldungen zu Familien, die den Jugendämtern vorher gar nicht bekannt waren", erklärte Müller. Dass in den ersten Monaten der Krise viele Fälle von Kindeswohlgefährdung unerkannt geblieben seien, glaube er nicht. Spätestens im August wären Versäumnisse der vergangenen Monate aufgefallen. Dafür gebe es aber keine Belege. Für die Studie hatte das Institut die Rückmeldungen von 34 der 41 rheinland-pfälzischen Jugendämter auf einen detaillierten Fragenkatalog ausgewertet. Eine vergleichbar detaillierte Aufarbeitung zum Thema Kinderschutz während der Pandemie gebe es bislang in keinem anderen Bundesland.
Das rheinland-pfälzische Familienministerium hatte die außerplanmäßige Abfrage veranlasst, weil Experten während der ersten Welle der Corona-Pandemie ein "Systemversagen" vorhergesagt hatten. "Die Kinder und Familien sind entgegen vieler Befürchtungen nicht aus dem Blick geraten", erklärte nun Familienministerin Anne Spiegel (Grüne).
Die vom ism vorgestellten Daten belegen, dass es zwar zu einem Rückgang bei den Verdachtsmeldungen aus Schulen und Kindergärten kam, es aber zu einer Zunahme der Meldungen aus dem Bekanntenkreis und der Nachbarschaft kam. Außerdem gab es mehr anonyme Hinweise auf Kindeswohlgefährdungen. Auf einen Großteil der Fälle wurden die Jugendämter wie im Vorjahr durch Polizei, Gerichte oder Staatsanwaltschaften aufmerksam gemacht.
Die Art der Probleme in den Familien habe sich im Vergleich zur Zeit vor dem Beginn der Pandemie kaum verändert. In den meisten Fällen müssen die Behörden einschreiten, weil Eltern ihre Kinder beispielsweise aufgrund von Drogenproblemen vernachlässigen. Der Anteil der erkannten Fälle von sexuellem Missbrauch blieb mit rund fünf Prozent konstant. Die Sorge, dass die Schließung der Schulen zu mehr häuslichen Konflikten führen und mehr Einsätzen der Jugendämter führen würde, bestätigte sich nicht. Vielmehr habe sich die Situation zahlreicher von den Behörden betreuter Familien stabilisiert, weil der Schulstress weggefallen sei.