Äthiopien: Haftbefehle gegen Führung von Tigray-Autonomiebewegung
EU warnt vor humanitärer Katastrophe durch Militärkonflikt
Im Kampf um die äthiopische Region Tigray erhöht die Regierung den Druck
auf die die lokale Führung und ernennt einen neuen Gouverneur. Die EU
warnt wegen der militärischen Eskalation vor einer humanitären
Katastrophe.

Frankfurt a.M., Hannover, Addis Abeba (epd). Im Konflikt in Norden des Landes zeigt die äthiopische Regierung weiter Härte. Die Staatsanwaltschaft stellte Haftbefehle gegen 64 Mitglieder der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) wegen Hochverrats aus, wie der regierungsnahe Privatsender Fana BC am Freitag berichtete. Auch gegen den bisherigen Regierungschef der Tigray-Region und TPLF-Führer, Debretsion Gebremichael, gehen die Behörden vor. Zudem begann die Zentralregierung mit dem angekündigten Austausch der Regionalregierung von Tigray. Ministerpräsident Abiy Ahmed teilte mit, ein neuer Gouverneur sei ernannt worden. Die TPLF fordert mehr Autonomie von der Regierung in der Hauptstadt Addis Abeba.

Die Zentralregierung unter Abiy und die TPLF liefern sich seit Anfang November heftige militärische Kämpfe um die Kontrolle über die Tigray-Region. Nach Angaben von Amnesty International wurden bei einem Massaker am Montag wahrscheinlich Hunderte Menschen getötet. Weil die Region weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist, gab es aber keine unabhängige Bestätigung der Entwicklungen in Tigray oder Angaben zu den Tätern.

Die EU-Kommission warnte unterdessen vor einer humanitären Katastrophe. "Die militärische Eskalation in Äthiopien bedroht die Stabilität des ganzen Landes und der Region", sagte der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Das Risiko, dass die Gewalt sich ausbreite, sei sehr real. Lenarcic forderte die äthiopische Regierung auf, den Hilfsorganisationen schnell und bedingungslos Zugang zur Region Tigray zu gewähren.

Die Äthiopien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Annette Weber, sagte: "Wenn sich der Konflikt regional ausweitet, würde das zu großen Migrationsschüben auch nach Europa führen." Es könne zudem sein, dass das Nachbarland Sudan wieder destabilisiert werde. "Alle Beobachter in der Region sind sehr nervös", sagte Weber. Nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sind seit Anfang der Woche bereits mehr als 7.000 Menschen in den Sudan geflohen.

Auslöser der militärischen Konfrontation war ein mutmaßlicher Angriff der TPLF auf eine Militärbasis Anfang November. Der Angriff verschärfte die seit Monaten bestehenden Spannungen zwischen Addis Abeba und Tigray um die für den Sommer geplanten Parlamentswahlen. Abiy hatte die Wahlen wegen der Corona-Pandemie verschoben, ohne einen konkreten neuen Termin zu nennen. Die Regionalregierung hatte daraufhin im September Wahlen abgehalten, die Abiy für ungültig erklärte. Abiy, der sich zunächst stark um Aussöhnung der verschiedenen Ethnien im Land bemüht hatte, wurde 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

epd bdr/rks nam