Experte erwartet Schub für internationale Kooperation durch Biden
13.11.2020
epd
epd-Gespräch: Jan Dirk Herbermann

Berlin, Genf (epd). Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Detlef Dzembritzki, erhofft sich von dem designierten US-Präsidenten Joe Biden einen kräftigen Schub für die internationale Kooperation. "Wir erwarten wieder deutlich mehr Miteinander in den Vereinten Nationen", sagte Dzembritzki dem Evangelischen Pressedienst in Berlin.

"Der kultivierte und respektvolle Stil Bidens macht die Bildung eines Konsenses in den UN wieder möglich", sagte Dzembritzki. Er verwies auf die Absicht des Demokraten Biden, die USA in das Pariser Klimaabkommen zurückzuführen und den Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation zu stoppen. "Das sind klare Signale, dass Biden an ein Regelwerk für eine gemeinsame Zukunft und multilaterale Prinzipien glaubt", sagte der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Dzembritzki.

Der amtierende US-Präsident Donald Trump von den Republikanern hatte sein Land aus dem Klimaabkommen herausgeführt und den Abschied von der WHO eingeleitet. Dzembritzki sprach auch die Möglichkeit an, dass die USA unter Biden wieder dem UN-Atomabkommen mit dem Iran beitreten könnten. Auch aus dieser Vereinbarung hatte Trump die USA herausgelöst. Ein Wiedereinstieg in den Pakt zur Verhinderung einer atomaren Bewaffnung des Iran wäre leicht zu bewerkstelligen, erklärte Dzembritzki.

Der frühere Vorsitzende des Unterausschusses für die Vereinten Nationen im Bundestag sieht auch neue Optionen im Nahostkonflikt unter Biden. Der Demokrat könnte Bewegung in die erstarrten Fronten der Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern bringen. Ziel müsse eine stabile Zweistaatenlösung bleiben, stellte Dzembritzki klar. Der DGVN-Vorsitzende schlug eine internationale Nahost-Konferenz mit allen Akteuren vor, die auch den Segen des UN-Sicherheitsrates haben müsse.

Dzembritzki warnte jedoch vor einem übertriebenen Optimismus bei der Beurteilung des gewählten US-Präsidenten. Der versierte Außenpolitiker und frühere Vizepräsident Biden werde auch die ökonomischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen der USA verfolgen und verteidigen. "Die USA haben ihre Grundsätze, etwa den Besitz von Atomwaffen, das wird sich auch unter Biden nicht ändern."

Präsident Trump habe eine "Politik der Zerstörung" in den UN betrieben. Letztlich hätten sich die Vereinten Nationen aber als widerstandsfähig gegen die Angriffe Trumps erwiesen. "Die Vereinten Nationen haben schon viele Krisen gemeistert, die Trump-Jahre waren sicher mit die schwersten Jahre für die Organisation", bilanzierte der Chef der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Die DGVN mit Sitz in Berlin setzt sich für "starke Vereinte Nationen" ein. Nur eine enge internationale Zusammenarbeit könne den Frieden sichern, die Menschenrechte schützen und eine nachhaltige Entwicklung fördern.