Viele Männer glauben nicht, dass sie einen Gewinn davon haben könnten, sich mit anderen Männern über ihr Mannsein auszutauschen. "Manche schauen bei uns ein einziges Mal vorbei und kommen nie wieder", schmunzelt Gerhard, der sich zusammen mit Heiko seit 14 Jahren für eine Männergruppe in Würzburg engagiert. Für Neulinge ist das Gruppenprogramm allerdings auch etwas gewöhnungsbedürftig. "Wir beginnen immer damit, dass wir tanzen", erzählt Heiko. Je nach Geschmack des wechselnden Gruppenleiters geschieht dies zu AC/DC, Klassik oder Volksliedern.
In den besten Zeiten waren es insgesamt 14 Männer zwischen 25 und 75 Jahren, die im Würzburger "Milchhof" zusammenkamen. Man ist per Du, nennt sich beim Vornamen. Beruf, Rang und Titel spielen keine Rolle.
"Was lehne ich an mir am meisten ab?"
Nach dem Tanz und einer "Körpercheck" genannten Übung eröffnet Heiko das Gespräch in der Gruppe mit der Frage: "Was lehne ich an mir am meisten ab?" Einige Männer zucken zusammen. Einige greifen zum Stift, um sich Notizen zu machen. Irgendwann nimmt der erste Mann den hölzernen "Talking Stick" und beginnt, von sich zu erzählen.
Dass Männer zusammenkommen, um gemeinsam einem Hobby zu frönen, ist gute alte Tradition. Männerarbeit ist jedoch mehr. Er habe sich durch die Gruppe "um 180 Grad gedreht", erklärt der 53-jährige Polizeibeamte Gerhard: "Früher gab es bei mir nur den Kopf und die Genitalien, dazwischen nichts." Heute lebt Gerhard in erster Linie aus dem Bauch heraus. Heiko, 51 Jahre alt und Künstler, hat durch die Gruppe ein positives Verhältnis zu seinen Geschlechtsgenossen bekommen, wie er sagte. "Früher habe ich Männern misstraut." Er glaubt, dass das an der unguten, oft als leidvoll erlebten Beziehung zum Vater lag.
Rollenbilder und Stereotype reflektieren
Im Lübecker Stadtteil Kücknitz gibt es seit 20 Jahren evangelische Männerarbeit. Der heute 70-jährige Reiner Arendt gehörte zu den Gründern. "Bei einem Gemeindefest hatten wir bemerkt, dass es nur für Frauen aktive Arbeit gibt", erzählt er. Männerarbeit sei damals etwas Neues gewesen. Die ersten Treffen fanden bei Rotwein und Zigarre statt. Es war eher ein geselliges Miteinander als echte Männerarbeit. Frischen Wind brachte der neue Pastor, Rainer Fincke, hinein: "Der hat die Arbeit richtig interessant gemacht."
Erstmals ging es darum, neue Erkenntnisse zu gewinnen und Rollenbilder zu reflektieren. Die meisten Männer, sagt Arendt, waren mit Stereotypen großgezogen worden: "Auch ich hörte, dass ein Junge nicht weinen darf." Ein dummer Spruch, sagt er: "Unser Pflegesohn ist blind und verhaltensauffällig, er kann nicht weinen - und das ist wirklich schlimm."
"Männliches Durchbeißen"
Gerade Männer im mittleren Alter, die sich nicht mehr darüber im Klaren sind, welchen Sinn "alles" hat, profitieren von Männerarbeit, sagt Thorsten Bienemann, der in Altenkirchen in Rheinland-Pfalz evangelische Männerarbeit organisiert. Das macht der 46-jährige Leiter einer Exportabteilung so gut, dass seine Arbeit 2019 für den Deutschen Engagementpreis nominiert wurde. Bienemann ist es wichtig, an die Lebens- und Arbeitssituation der Männer anzuknüpfen. Viele Männer sind nach seinen Worten heftigem Termin- und Leistungsdruck ausgesetzt, viele plagen sich mit überlangen Arbeitszeiten. "Männlich" versuchen sie, sich durchzubeißen.
Um die Frage "gelingender Männlichkeit" kreist vor diesem Hintergrund die Arbeit von Ralf Ochs, Männerseelsorger im Dekanat Wiesental der Diözese Freiburg. Ochs möchte in erster Linie Männer aus der zweiten Lebenshälfte ansprechen. Viele Männer aus seiner Gruppe verbindet nach Angaben des Theologen, dass sie in irgendeiner Weise "Scheitern" in ihrem Leben erlebt haben und sich damit auseinandersetzen wollen.
Andere suchen Antworten auf die Frage, wie sie auf eine gute und befriedigende Weise ihre Mann-Sein leben können. Die Gruppe aufzubauen, war nicht schwierig gewesen - trotz einiger dummer Kommentare wie: "Männergruppe? Sind die alle schwul?"