Studie: "People of Color" fühlen sich von Polizei oft diskriminiert
Untersuchung belegt Wahrnehmungsunterschiede von Polizeieinsätzen
Nach Rassismusvorwürfen gegen die Polizei planen Bundesregierung und einige Bundesländer Untersuchungen dazu. Unterdessen zeigt eine neue Studie, dass insbesondere nicht weiße Menschen, Polizeieinsätze häufig als diskriminierend empfinden.

Berlin (epd). Bei mutmaßlich rassistisch motivierten Polizeieinsätzen gibt es offenbar erhebliche Wahrnehmungsunterschiede zwischen Beamten und Betroffenen. Das ist das Ergebnis einer neuen, nichtrepräsentativen Studie des Kriminologen Tobias Singelnstein der Ruhr-Universität Bochum, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Untersucht wurden dabei die Erfahrungen dreier unterschiedlicher Gruppen mit der Polizei: sogenannte People of Color (PoC) - also Menschen mit dunklerer Hautfarbe, die als nichtdeutsch wahrgenommen werden - sowie Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen ohne Migrationshintergrund.

Befragt wurden für die Studie den Angaben zufolge online 3.373 Personen, die körperliche Gewalt durch die Polizei erfahren haben und diese als rechtswidrig einstufen. Zudem gab es Einzelinterviews mit Vertretern von Polizei, Opferberatungsstellen und Zivilgesellschaft.

Die Erfahrungen von "People of Color" unterschieden sich deutlich von denen weißer Personen, heißt es in der Studie. Fast zwei Drittel (62 Prozent) der befragten Personen mit dunklerer Hautfarbe gaben an, sich von der Polizei diskriminiert gefühlt zu haben. Auch 42 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund hätten dies bejaht. Bei Personen ohne Migrationshintergrund seien es 31 Prozent.

Rund die Hälfte der betroffenen "PoC" vermutet demnach, dass die Polizei sie wegen ihrer vermeintlichen "ethnischen" oder kulturellen Zugehörigkeit diskriminiert habe. Unter den Personen ohne Migrationshintergrund hätten dies nur drei Prozent so eingeschätzt. Laut Studie waren Menschen mit dunklem Teint zudem häufiger außerhalb von Großveranstaltungen mit der Polizei in Kontakt gekommen, etwa bei Personenkontrollen.

Polizeibeamte würden ihr Verhalten häufig als nicht diskriminierend wahrnehmen, sagte Kriminologe Singelnstein. Insbesondere "People of Color" hätten dagegen "besondere Antennen" für diskriminierendes Verhalten. Im Konfliktfall mache diese Perspektivendiskrepanz häufig "eine Verständigung über die Situation sehr schwierig", so Singelnstein.

Die Studie "Rassismus und Diskriminierungserfahrungen im Kontext polizeilicher Gewaltausübung" wurde erstellt vor dem Hintergrund der Debatte um möglichen Rassismus in der Polizei. Neben Singelnstein sprachen sich am Mittwoch auch die Soziologin und Professorin an der Polizeiakademie Niedersachsen, Astrid Jacobsen, sowie der Düsseldorfer Rechtsanwalt, Blaise Francis El Mourabit, für eine deutliche Ausweitung der Forschung zu dem Thema aus.

Jacobsen betonte, bei künftigen Studien sei es wichtig zu unterscheiden, ob die Einstellungen von Polizeibeamten, die Polizeipraxis oder strukturelle Rahmenbedingungen, die möglicherweise Rassismus bei Sicherheitsbehörden befördern, erforscht werden. Neben der Bundesregierung planen mehrere Bundesländer Untersuchungen zu dem Themenkomplex.

Rechtsanwalt Mourabit forderte unterdessen für Polizisten die Pflicht zum Tragen einer Bodycam. Dies würde im Konfliktfall auch Betroffenen die Beweisführung erleichtern. Es sollte zudem eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte geben.

"People of Colour" ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die sich nicht als weiß definieren und von Rassismuserfahrungen berichten. Der Begriff ist auch politisch zu verstehen, "PoC" fordern eine gleichberechtigte Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Bezeichnung "Farbige" wird abgelehnt, weil sie aus dem Kolonialismus stammt.