Nach Kritik an Seenotrettung verlässt Pfarrer seine Gemeinde
Seelsorger bedauert «Irritationen», erneuert aber seine Einwände
Die evangelische Kirche engagiert sich in der Seenotrettung von Flüchtlingen. Ein Nürnberger Pfarrer kritisierte solche Einsätze scharf. Das hat jetzt Konsequenzen.
10.11.2020
epd
Von Jutta Olschewski (epd)

Nürnberg (epd). Der Protestssturm war heftig: Nach Bekanntwerden seines Leserbriefes zur Seenotrettung im Oktober muss der evangelische Pfarrer Matthias Dreher nun seine Nürnberger Gemeinde verlassen. Dreher hatte im Oktober unter der Überschrift "Ein Christ kann ertrinken lassen" im "Korrespondenzblatt" des bayerischen Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins Rettungsschiffe für Flüchtlinge kritisiert. Das Büro der Nürnberger Regionalbischöfe gab die Trennung Drehers von der Gemeinde nach einer Online-Sitzung des Kirchenvorstands am Dienstag bekannt.

Bei der Aussprache sei Regionalbischof Stefan Ark Nitsche dabei gewesen, sagte der Referent der Regionalbischöfe, Jonas Schiller, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nitsche entschied demnach, Dreher mit dessen Einverständnis ab dem 15. November zu einem anderen Dienst, "zunächst mit allgemein-kirchlichen Aufgaben", abzuordnen. Damit könne die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Pfarrer weitergehen, "ohne den Frieden in der Gemeinde oder ihre Einheit weiter zu gefährden", hieß es.

Dreher räumte am Dienstag in einer Stellungsnahme ein, dass er "für Polarisierung, Irritation und Ärger" gesorgt habe. Er bedauere das außerordentlich. Der Titel seines Leserbriefes habe "den Anschein eines herzlosen Pfarrers erweckt", er wolle aber "mit vollem Herzen für die Menschen da sein". Auf das "Feld konkreter Politik" hätte er sich als Bürger und nicht als Pfarrer begeben sollen, erklärte der Theologe: "Ich bin quasi aus der Rolle gefallen und das tut mir leid."

Dreher wiederholt in der Erklärung aber seine Kritik an der Seenotrettung. Der Satz "Ein Christ kann nicht ertrinken lassen" rette niemanden, schreibt er. Der Satz formuliere "ein unerfüllbares Ideal und stellt seinen Sprecher auf die moralisch vermeintlich 'gute' Seite". Die Motive der Sendung eines Schiffes könne man als christlich anerkennen. Es rette aber nur, wen es konkret finde. "Weitere Menschen lockt es, ohne zu helfen. Andere Migrationsprobleme übergeht es", betonte Dreher.

Der Kirchenvorstand seiner Gemeinde hatte sich nach Berichten über den Leserbrief im "Korrespondenzblatt" einer Erklärung der Nürnberger evangelischen Dekane angeschlossen, die sich von Drehers Aussagen distanzierten. "Unter gar keinen Umständen darf man Menschen ertrinken lassen. Aus christlicher Sicht ist diese Forderung bedingungslos", hatten die Dekane geschrieben.

Der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, hat sich öffentlich in den vergangenen Jahren immer wieder für eine humanitäre Flüchtlingspolitik und die Seenotrettung im Mittelmeer starkgemacht. Konkret unterstützt die evangelische Kirche das Bündnis "United4Rescue", das im Sommer die Mission des zivilen Rettungsschiffs "Sea-Watch 4" ermöglicht hatte.