Osnabrück (epd). Der Virologe und frühere Leiter des WHO-Grippe-Programms der WHO, Klaus Stöhr, bezweifelt die Notwendigkeit des Corona-Teil-Lockdowns im November. Gemessen an der gegenwärtigen Auslastung der Intensivbetten und der Neuerkrankungskurve reagierten Bund und Länder sehr früh, sagte der Experte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). Gegenwärtig seien im Durchschnitt etwa zehn Prozent aller Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt.
"Anfang Dezember werden wir sehen, wie weit man hier über das Ziel gehalten hat", sagte Stöhr. "Aber auf jeden Fall muss die Effizienz der Maßnahmen durch begleitende Studien überprüft werden. Nur so können dann datenbasierte Handlungsrichtlinien erarbeitet werden."
Zwar sei der Ansatz, die Krankenhäuser nicht zu überlasten, "der richtige", sagte der frühere Leiter des WHO-Grippeprogramms. "Trotzdem wird es weiterhin selbst in Deutschland schwere Verläufe und Tausende Tote geben. Wer glaubt, wir könnten diese schlimmen Auswirkungen ungeachtet ausreichender Intensivbettenkapazität verhindern, gibt den Ärzten und Pflegern die Schuld. Aber die tun alles Menschenmögliche, um zu helfen."
Stöhr erwartet für Ende November in Deutschland "circa 10.000 bis 12.000 Neuerkrankungen pro Tag und eine maximal 50-Prozent-Belegung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten". Eine rasche Corona-Eindämmung hält der Pandemie-Experte für unmöglich. "Der Ausbruch in Wuhan hat gezeigt, dass selbst mit den allerhärtesten Maßnahmen das Virus nicht gebremst werden konnte", sagte er.
Die Welt sei mobil wie nie zuvor. Das Virus kenne keine Grenzen. "Auch bei uns wird die Pandemie so lange laufen, bis alle 83 Millionen Deutsche immun sind - hoffentlich durch eine Immunisierung, aber wahrscheinlicher durch eine Infektion."