Hamm (epd). Jugendamtsmitarbeiter, die sich trotz Hinweisen auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung keinen persönlichen Eindruck verschaffen, können sich der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen schuldig machen. Eine Jugendamtsmitarbeiterin muss daher eine Geldstrafe von 3.500 Euro zahlen, wie das Oberlandesgerichtes Hamm in einer am Freitag veröffentlichten Entscheidung mitteilte. Wegen ihrer Untätigkeit sei der Mitarbeiterin das über mindestens drei Monate andauernde Verhungern des Kindes "pflichtwidrig verborgen" geblieben, so dass sie das in dieser Lage Erforderliche nicht habe veranlassen können. (AZ: III-5 RVs 83/20)
Das Gericht verwarf die Revision der Angeklagten gegen ein vorhergehendes Urteil des Landgerichts Arnsberg. Die Angeklagte aus dem Hochsauerlandkreis hatte den Angaben zufolge seit August 2013 eine alleinerziehende Mutter und deren neun Kinder betreut. Aufgrund der Mitteilung eines anderen Jugendamtes soll der Behördenmitarbeiterin bekannt gewesen sein, dass ein Anfang 2012 geborener Junge und ein im Frühling 2013 geborenes Mädchen in ihrem Kindeswohl gefährdet sein könnten. Dennoch sei sie untätig geblieben und habe daher nicht erkannt, dass beide Kinder nicht ausreichend ernährt und mit Flüssigkeit versorgt wurden, erklärte das Oberlandesgericht.
Nachdem die Mutter Anfang 2014 die beiden Kinder Ärzten vorgestellt hatte, konnte das Mädchen durch eine intensivmedizinische Behandlung gerettet werden, der Junge starb jedoch im Krankenhaus. Die Mitarbeiterin des Jugendamts wurde 2017 vom Amtsgericht Medebach wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt (AZ: 6 Ds 213/16). In einer Berufungsverhandlung milderte das Landgericht Arnsberg das Urteil ab und verhängte die Geldstrafe. Die Unterernährung des Mädchens sei - anders als bei dem Jungen - für die Angeklagte nicht zu erkennen gewesen.
Das 5. Strafsenat OLG Hamm bestätigte nun die Entscheidung des Landgerichts, wonach die Jugendamtsmitarbeiterin ihre "Garantenpflicht" gegenüber dem Jungen fahrlässig verletzt und ihr mögliche Maßnahmen zur Verhinderung seines Hungertods unterlassen habe. Für solche "pflichtwidrig herbeigeführte Unkenntnis" der Gefährdung müsse sie einstehen. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Die Mutter der neun Kinder ist nach Angaben des OLG vom Landgericht Arnsberg rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen und gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen verurteilt worden (AZ: II-Ks 8/16).