Magdeburg (epd). Unmittelbar nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 ist in anonymen Internetforen intensiv über die Tat und Hintergründe spekuliert worden. Unter den Kommentaren waren laut einer Expertin menschenverachtende Reaktionen. Man habe sich über die Opfer lustig gemacht, aber auch über die Tat und den Täter, sagte die Journalistin und Autorin Karolin Schwarz ("Hasskrieger. Der neue globale Rechtsextremismus") am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Naumburg, das in Magdeburg verhandelt. Es habe reihenweise Spott für den Attentäter Stephan B. gegeben.
Die 35-Jährige war als Sachverständige geladen worden, nachdem die Angaben des Bundeskriminalamtes zu den Online-Aktivitäten von B. von der Nebenklage als nicht weitreichend genug bemängelt worden waren. Schwarz nahm nach eigenen Angaben noch am Tag des Anschlags vor allem die Plattformen "Kohlchan" und "4chan" sowie den Messengerdienst "Telegram" in den Blick. "Telegram" spiele inzwischen eine große Rolle in der rechtsextremen Szene, sagte Schwarz. Viele Nutzer seien von Imageboards zu Telegram abgewandert. Dort fühlten sie sich sicher.
In den sogenannten Imageboards wurde auch das Tatvideo geteilt. B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen Motivation heraus einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt. Weil es ihm nicht gelang, mit Sprengsätzen und Schusswaffen in die Synagoge zu gelangen, erschoss er eine 40 Jahre alte Passantin und anschließend in einem Döner-Imbiss einen 20-jährigen Mann. Die Bundesanwaltschaft hat B. wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten angeklagt.