Mainz (epd). Der Mainzer Staatsrechtler Friedhelm Hufen hält die von den Regierungschefs von Bund und Ländern verabredeten harten Anti-Corona-Maßnahmen für klar verfassungswidrig. Die flächendeckende Schließung der Gastronomie sowie von Hotels und Kultureinrichtungen werde wahrscheinlich von Gerichten schnell wieder gekippt, sagte er in einem Interview mit den Zeitungen der Verlagsgruppe Rhein-Main (Freitag), das als Video vorab im Internet veröffentlicht wurde. Statt ganze Branchen zum Stillstand zu bringen, müsse die Kontrolle von Verstößen im privaten Bereich verstärkt werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten seien offenbar nach der Devise vorgegangen, alles zu verbieten, "was Spaß macht" und daher vermeintlich überflüssig sei, erklärte der emeritierte Professor für Verwaltungsrecht an der Mainzer Gutenberg-Universität. "Ich halte Kunst und Kultur für lebenswichtig", sagte er. Das hätten die Menschen selbst im Zweiten Weltkrieg verstanden: "Mitten in den Trümmern haben die Orchester gespielt." Pauschale Beherbergungsverbote seien von Gerichten bereits eindeutig als unzulässig verworfen, nun aber erneut verabredet worden, kritisierte der Wissenschaftler: "Ich frage mich: Lesen die Politiker keine Urteile?"
Im Kampf gegen die Pandemie könne die vermeintliche Unwichtigkeit eines Lebensbereichs kein Kriterium für Infektionsschutz-Maßnahmen sein: "Der entscheidende Gesichtspunkt ist doch: Was trägt die einzelne Branche zu den gravierenden Steigerungen der Infektionszahlen bei?" Längst sei erwiesen, dass Restaurants, Sportvereine oder Theater mit ihren Hygienekonzepten keine Brennpunkte der Pandemie darstellen - im Gegensatz zu privaten Partys in kleinen Räumen, den großen Familienfeiern oder dem Geschehen in Bars und Diskotheken.
Anders als bei pauschalen Verboten für ganze Branchen seien behördliche Eingriffe in private Zusammenkünfte sehr wohl rechtlich möglich, wenn auch in der Praxis schwerer durchzusetzen. Privatleute müssten sich durchaus gefallen lassen, dass Verstöße gegen Kontaktbeschränkungen selbst in der eigenen Wohnung geahndet werden, sagte Hufen: "Ich darf auch keine Kokain-Party im privaten Bereich feiern." Beschränkungen für Ansammlungen von Personen unter freiem Himmel halte er ebenfalls grundsätzlich für zulässig, denn in der Vergangenheit habe es "entsetzliche Beispiele für Disziplinlosigkeit" gegeben.