Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die mit den Ministerpräsidenten vereinbarten drastischen Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verteidigt. Diese seien "geeignet, erforderlich und verhältnismäßig", sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Die derzeitige Dynamik des Infektionsgeschehens könne die Intensivmedizin in wenigen Wochen überfordern, warnte Merkel und verwies darauf, dass sich die Zahl der intensivmedizinisch betreuten Covid-19-Patienten in den vergangenen zehn Tagen auf mehr als 1.500 verdoppelt habe. Wenn man warte, bis die Intensivstationen voll sind, "dann wäre es zu spät", sagte sie.
Merkel hatte am Mittwoch mit den Regierungschefs der Länder erneute drastische Beschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens beschlossen. Restaurants, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sollen ab der kommenden Woche für den ganzen November schließen. Die Bürger sollen ihre privaten Kontakte auf ein Minimum reduzieren.
Sie verstehe die Frustration und Verzweiflung aller, die trotz erarbeiteter Hygienekonzepte schließen müssten, sagte Merkel. Doch in der gegenwärtigen Situation könnten Hygienekonzepte ihre Kraft nicht mehr entfalten. Es gebe kein anderes Mittel als konsequente Kontaktbeschränkungen, um die Pandemie auf ein beherrschbares Niveau zu bringen.
Die Pandemie stelle die Demokratie auf eine "besondere Bewährungsprobe", sagte Merkel. Es sei richtig, wichtig und unverzichtbar, dass die Maßnahmen diskutiert, kritisiert und auf Angemessenheit hin befragt werden, betonte sie vor dem Hintergrund der Debatte um eine stärkere Beteiligung der Parlamente bei der Entscheidung über die Eingriffe in Grundrechte.
Zugleich warnte Merkel vor "beschwichtigendem Wunschdenken und populistischer Verharmlosung". Dies wäre nicht nur unrealistisch, "es wäre unverantwortlich". Merkel verurteilte bewusste Falschmeldungen über das Virus. Vom Bezug zu Fakten hänge nicht nur die Demokratie ab, "sondern davon hängen Menschenleben ab", sagte sie. An anderer Stelle würdigte sie explizit die Arbeit des Robert Koch-Instituts und anderer Experten in der Pandemie. Sie leisteten derzeit viele Überstunden.
Die Rede der Kanzlerin wurde immer wieder von lauten Zwischenrufen und Raunen unterbrochen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) musste zweimal ordnend eingreifen, damit die Kanzlerin weitersprechen konnte. Die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann erklärte bei Twitter, man könne bei den Maßnahmen anderer Meinung sein. "Aber man muss Debatte mit Respekt führen. AfD disqualifiziert sich da gerade wieder einmal", ergänzte sie.
Das Robert Koch-Institut meldete am Donnerstag mit 16.774 registrierten Neuinfektionen an einem Tag erneut einen Höchststand von Ansteckungen. Fast 300 Landkreise und Städte haben laut aktuellem Situationsbericht des Instituts inzwischen den Wert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen überschritten. Die Marke gilt als Grenze für die Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten durch die Gesundheitsämter.
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