Berlin, Brüssel (epd). Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland wird in den kommenden beiden Jahren auf 10,45 Euro pro Stunde angehoben. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch in Berlin die neue Mindestlohnverordnung. Danach wird die Lohnuntergrenze in vier Schritten steigen. In Brüssel legte die EU-Kommission einen Entwurf für ein Mindestlohn-Rahmengesetz in der Europäischen Union vor.
Dem Bundesarbeitsministerium zufolge steigt der Mindestlohn zu Beginn des kommenden Jahres von 9,35 Euro auf 9,50 Euro, zum 1. Juli 2021 weiter auf 9,60 Euro. Anfang 2022 wird er auf 9,82 Euro und für das zweite Halbjahr 2022 auf 10,45 Euro angehoben. Darauf hatte sich die Mindestlohnkommission im Juni verständigt.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, die von der Kommission vorgeschlagene Anpassung orientiere sich an der Tarifentwicklung, berücksichtige aber auch die wirtschaftlichen Unsicherheiten der Corona-Pandemie. Die Lohnkostensteigerungen für die Unternehmen würden so verteilt, dass sie tragbar seien. Zugleich werde der Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert. "Ich sehe aber perspektivisch noch deutlich Luft nach oben", fügte Heil hinzu.
Das Mindestlohngesetz wird in diesem Jahr evaluiert. Heil will danach Vorschläge für eine Reform machen und hatte als Orientierung einen Mindestlohn von 12 Euro genannt, wie er von Gewerkschaften, Sozialverbänden und Teilen der Opposition sowie der SPD selbst gefordert wird.
Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Mindestlohn-Rahmengesetz zielt weder auf gesetzliche Mindestlöhne in allen Mitgliedsländern noch auf ein einheitliches Mindestlohnniveau. Alle 27 EU-Länder haben bereits Mindestlöhne, die meisten gesetzlich festgelegte. Trotzdem gebe es Probleme. In der Mehrzahl der Länder sind die Mindestlöhne laut Kommission zu niedrig oder decken nicht alle Arbeitnehmer ab, denen sie eigentlich zustünden, oder beides.
Der Gesetzentwurf sieht daher Minimalstandards vor, die die Länder erfüllen müssen. Hierzu gehören "klare und stabile Kriterien" für die Mindestlöhne und regelmäßige Anpassungen sowie Vorschriften für die Umsetzung und Berichtspflichten. Da es bei Mindestlöhnen nur um die unterste Grenze der Entlohnung geht, will die Kommission die Länder außerdem verpflichten, Aktionspläne zur Förderung der Tarifbindung vorzulegen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände lehnte die Vorschläge der EU-Kommission als "Kompetenzanmaßung" ab und forderte die deutsche Politik auf, die Vorschläge zurückzuweisen.
Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke begrüßte die Pläne. Seine SPD-Kollegin Gabrielle Bischoff hingegen kritisierte, dass der Vorschlag keine verbindliche, prozentuale Vorgabe für einen Mindestlohn im Vergleich zum mittleren Einkommen in einem EU-Land enthält. Die Vorschläge der Kommission werden nun vom Europaparlament und den EU-Regierungen beraten.
Die deutsche Mindestlohnkommission ist zu gleichen Teilen mit Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besetzt und berät alle zwei Jahre über eine Anpassung der Lohnuntergrenze. Sie orientiert sich dabei an der Tarifentwicklung und berücksichtigt die wirtschaftliche Lage. Die Lohnuntergrenze war zuletzt Anfang dieses Jahres von 9,19 auf 9,35 Euro angehoben worden. Laut Statistischem Bundesamt erhielten im April 2019 rund 1,4 Millionen Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindestlohn. Das entspricht rund 3,5 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse.
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