Karlsruhe (epd). Für die Fortsetzung einer mehr als vier Jahre dauernden zwangsweisen Unterbringung eines psychisch kranken Menschen muss ein neuer Sachverständiger zurate gezogen werden. Dies gilt auch, wenn die Unterbringung kurzfristig unterbrochen wurde, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Montag veröffentlichten Beschluss. (AZ: XII ZB 167/20)
Im Streitfall ging es um eine Frau aus Niedersachsen, die seit April 2012 zwangsweise in einer geschlossenen Wohneinrichtung untergebracht war. Sie ist alkoholkrank und psychisch erkrankt. Auf Antrag ihrer Betreuerin vom 5. September 2019 sollte die Frau in einer geschlossenen Heimeinrichtung bis längstens 4. September 2021 untergebracht werden.
Das Landgericht genehmigte die Fortsetzung der Zwangsunterbringung, nachdem es ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte. Die Gutachterin hatte aber für die Frau in der Vergangenheit bereits zweimal Unterbringungsgutachten angefertigt.
Daraufhin entschied der BGH, dass das Gutachten der Sachverständigen von Ende 2019 für die Fortsetzung der Unterbringungsmaßnahme nicht verwendet werden darf. Bei einer Unterbringung mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren dürften Sachverständige nach den gesetzlichen Bestimmungen für die Verlängerung der Maßnahme grundsätzlich nicht erneut herangezogen werden, wenn diese die Betroffenen bereits vorher behandelt oder begutachtet haben.
Die Pflicht eines Gerichts, einen neuen Gutachter zu beauftragen, entfällt auch nicht, wenn die Zwangsunterbringung kurze Zeit - etwa bei Freigängen - unterbrochen wird. Hier sei die Betroffene während ihrer Gesamtunterbringungszeit fünf Wochen lang ohne richterliche Genehmigung in der Einrichtung geblieben. Auch mit diesem zeitweisen Fehlen einer Unterbringungsgenehmigung sei die gesetzliche Vierjahresfrist nicht unterbrochen worden.
Das Landgericht Lüneburg muss nun erneut über den Fall und die mögliche Selbstgefährdung der Frau entscheiden und ein Gutachten von einem neuen, externen Sachverständigen einholen.