Mannheim (epd). Wer Frauen grundsätzlich zur Begrüßung nicht die Hand gibt, kann auch nicht in Deutschland eingebürgert werden. Mit dieser Begründung hat der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof einem Libanesen in einem am Freitag in Mannheim veröffentlichten Urteil die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert. Eine fundamentalistische Kultur- und Wertevorstellung, die das Händeschütteln mit einer Frau ablehnt, gewährleiste nicht die Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse, so das Gericht. (Az. 12 S 629/19)
Der 39-jährige Kläger kam 2002 nach Deutschland und arbeitet inzwischen als Oberarzt an einer Klinik. Bei seinem 2012 gestellten Antrag auf Einbürgerung habe er eine "Absage an alle Formen des Extremismus" unterschrieben und im Einbürgerungstest die volle Punktzahl erreicht. Als er 2015 die Urkunde entgegennehmen sollte, verweigerte er der zuständigen Sachbearbeiterin des Landratsamts den Handschlag zur Begrüßung. Er habe seiner Ehefrau versprochen, keiner anderen Frau die Hand zu geben, gab er an.
Das Gericht führt aus, dass das Händeschütteln seit Jahrhunderten in westlichen Staaten eine Tradition sei, die sogar Zeiten weltweiter Infektionen überdauert habe. Es habe zudem eine rechtliche Bedeutung, weil es etwa einen Vertragsabschluss symbolisiere oder bei der Verpflichtung eines Menschen in ein öffentliches Amt verwendet werde. Dem Einbürgerungsantrag könne insbesondere dann nicht entsprochen werden, wenn der verweigerte Handschlag "dem Geltungsanspruch einer salafistischen Überzeugung zum Verhältnis von Mann und Frau zu einer gesellschaftlichen Wirkung" verhelfen wolle.
Der Libanese hatte geltend gemacht, dass er seit 2018 niemandem mehr die Hand gebe - auch keinem Mann. Der Verwaltungsgerichtshof sieht darin allerdings nur ein "taktisches Vorgehen" unter dem Eindruck der Ablehnung der Einbürgerung. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Streitfalls zugelassen, sie muss binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden.