Berlin (epd). Von 2028 an sollen die Jugendämter für alle rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendlichen zuständig sein, die in Deutschland auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat am Freitag in Berlin die zentralen Vorhaben der seit Jahren debattierten Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe vorgestellt und sich zuversichtlich gezeigt, dass das Gesetz im kommenden Frühjahr in Kraft treten kann. Es sieht unter anderem vor, die Trennung zwischen Jugend- und Behindertenhilfe für Kinder und Jugendliche zu beenden.
Für die Umstellung in ihren Verwaltungen sollen die Bundesländer sieben Jahre Zeit bekommen. Ein Reformversuch in der vorigen Legislaturperiode war unter anderem daran gescheitert, dass die Länder sich überfahren fühlten. Einem erneuten Scheitern hofft Giffey dieses Mal mit einem "beispiellosen Beteiligungsprozess" vorgebeugt zu haben, sagte sie bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs, zu dem die Bundesländer und Verbände gegenwärtig Stellung nehmen. Noch in diesem Jahr solle das Kabinett den Gesetzentwurf ihn beschließen, sagte Giffey. Anschließend geht er in Bundestag und Bundesrat. Alle warteten inzwischen auf das Gesetz, sagte Giffey. Es gehöre zu den "großen Vorhaben" dieser Legislaturperiode.
Die bisher unterschiedlichen Hilfesysteme können für Kinder und Eltern zu hohen zusätzlichen Belastungen führen. Spätestens von 2024 an sollen sich die Vereinfachungen bemerkbar machen. Mit den geplanten Hilfen aus einer Hand kommt Deutschland auch seiner Pflicht zur Inklusion nach. Heute werden geistig und körperlich behinderte Kinder in der Behindertenhilfe betreut, während für vernachlässigte oder seelisch behinderte Kinder und Jugendliche rund 600 Jugendämter in Deutschland zuständig sind.
Mit der Reform sollen auch die Rechte von Pflegeeltern und leiblichen Eltern eines Kindes neu austariert werden. Wenn das Kind bei den Pflegeltern dauerhaft besser aufgehoben ist, soll es künftig dort unter bestimmten Umständen auch dauerhaft und nicht nur befristet bleiben können. Damit die leiblichen Eltern nicht übergangen werden, muss zugleich alles unternommen werden, um sie zu stabilisieren und einzubeziehen. Darauf erhalten sie einen Rechtsanspruch.
In diesem Punkt habe man "viele Diskussionen mit dem Koalitionspartner" geführt, sagte Giffey, bis man sich verständigt habe. Die Union hatte den SPD-Entwurf zur Reform der Jugendhilfe aus der vorigen Legislaturperiode abgelehnt, weil ihr die Rechte der leiblichen Eltern zu kurz kamen.
Giffeys Gesetzentwurf sieht außerdem unparteiische Anlaufstellen für Betroffene vor und schärfere Qualitätskontrollen von Jugendhilfe-Einrichtungen und ambulanten Angeboten. Dazu zählen auch Projekte im Ausland, von denen einige wegen fragwürdiger Methoden und Geschäftspraktiken in die Kritik geraten waren. Außerdem sind Verbesserungen vorgesehen für Jugendliche, die in Pflegefamilien oder Jugendeinrichtungen leben.
In Deutschland sind 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche aus vielerlei Gründen auf die Kinder- und Jugendhilfe angewiesen. Weitere 360.000 Kinder und Jugendliche brauchen wegen einer seelischen, körperlichen oder geistigen Behinderung Unterstützung. Für 100.000 junge Menschen mit einer seelischen Behinderung sind die Jugendämter zuständig, für 260.000 mit einer körperlichen oder geistigen Einschränkung ist indes die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen vorgesehen.