Berlin (epd). Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat verbindliche Besuche in KZ-Gedenkstätten für bestimmte Berufsgruppen gefordert, darunter Polizisten. Man müsse nicht nur Schüler erreichen, sondern auch diejenigen, die als Vermittler und Vorbilder wirken, sagte Grütters am Donnerstag in Berlin. Als Beispiele nannte sie angehende Lehrer, Polizistinnen und Offizierschüler bei der Bundeswehr. "Besuche in Gedenkstätten sollten in ihrer Ausbildung wirklich einen festen Platz haben und verbindlich in die Ausbildungspläne aufgenommen werden", sagte Grütters mit Blick auf den Jahrestag des antisemitischen Anschlags in Halle an diesem Freitag.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien beklagte, dass ein Besuch in einer KZ-Gedenkstätte in den wenigsten Curricula für die Ausbildung im Lehramt eine Rolle spiele. Verpflichtende Besuche in Gedenkstätten an Orten der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten wurden in der Vergangenheit auch für Schüler diskutiert. Grütters äußerte sich zufrieden über die Resonanz in dieser Altersgruppe. Jedes Jahr würden mehr Mittel für das Personal der Gedenkstätten bereitgestellt, weil es insbesondere von Schulklassen eine große Nachfrage gebe.
Für Besuche von angehenden Lehrern, Polizisten und Offiziersschülern versprach Grütters, Modellprogramme zu entwickeln. Sie forderte aber auch Ausbildungsstätten wie Polizeischulen auf, selbst aktiv zu werden.
Gemeinsam mit dem Beauftragten für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, und dem Sprecher der Initiative kulturelle Integration präsentierte Grütters am Donnerstag zudem die Idee eines jüdischen Aktionstags, der künftig am Jahrestag des antisemitischen Anschlags in Halle vom 9. Oktober 2019 begangen werden soll. Er soll jüdisches Leben sichtbarer machen, auch um Vorurteilen zu begegnen.
In diesem Jahr wird dazu ein Fotowettbewerb ausgelobt. Bilder, die die Vielfalt des Judentums in Deutschland zeigen, können bis zum 20. Dezember eingereicht werden. Der erste Platz ist mit 5.000 Euro dotiert. Insgesamt gibt es Preisgelder in Höhe von 12.500 Euro.
Die Antwort auf den Anschlag in Halle sei jüdisches Leben, sagte Klein. Jüdisches Leben "ist hier, bleibt hier, lässt sich nicht vertreiben", sagte er. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte, der Anschlag in Halle habe eindrücklich vor Augen geführt, "wie fragil unser Leben ist". Die Mehrheit der Juden hierzulande sehe ihre Zukunft aber weiter in der Bundesrepublik. "Wir zweifeln nicht daran, dass Deutschland unser Zuhause ist", sagte er.
Auch der Rabbiner Roman Remis, der vor einem Jahr in Halle in der Synagoge war, fühlt sich nach eigenen Worten "nach wie vor sicher und wohl in Deutschland". Dem Magazin "stern" sagte Remis: "Sorge bereitet mir nur, dass mein Name auf einer Liste rechtsradikaler Gruppen stehen könnte."
Am 9. Oktober 2019 hatte ein Attentäter aus rechtsextremistischer Gesinnung heraus einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt. Beim Versuch, am jüdischen Feiertag Jom Kippur in das Gotteshaus einzudringen, scheiterte er und erschoss eine 40 Jahre alte Passantin und in einem Döner-Imbiss einen 20 Jahre alten Mann.
Zum Jahrestag wird in Halle mit zahlreichen Veranstaltungen an die Opfer erinnert. Geplant sind ein Glockengeläut zur Uhrzeit der Tat und die Enthüllung von zwei Gedenkorten. Bei der zentralen Gedenkveranstaltung am Nachmittag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet.