Berlin (epd). Die Corona-Pandemie legt nach einem Index der Hilfsorganisation Oxfam die Schwachstellen der Politik bei sozialen Diensten, Steuern und Arbeitnehmerrechten offen. Soziale Ungleichheit habe wesentlich zur rasanten Verbreitung des Covid-19-Virus beigetragen, erklärte Oxfam am Donnerstag in Berlin. Nur 26 von 158 untersuchten Ländern hätten die vor der Pandemie empfohlenen 15 Prozent ihres Budgets für Gesundheit aufgewendet. Das geht aus einem zusammen mit dem Institut "Development Finance International" (DFI) erstellten Index hervor, der vor der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in der nächsten Woche vorgelegt wurde.
In 103 Ländern hatte demnach mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu Beginn der Pandemie keinen Zugang zu Schutzmaßnahmen wie Krankengeld. Deutschland liegt in der Bewertung auf dem dritten Platz, zeigt aber bei Bildung und Steuern Defizite.
"Weltweit haben Regierungen bei der Bekämpfung der sozialen Ungleichheit katastrophal versagt", erklärte Ellen Ehmke von Oxfam. "Deshalb war die Mehrheit der Länder schlecht gerüstet, um eine Pandemie zu bewältigen." Die Hauptlast trügen die Menschen am unteren Ende der Einkommensskala. Millionen Menschen litten deshalb unter Armut und Hunger, unzählige Todesfälle wären vermeidbar gewesen.
Nigeria, Bahrain und Indien, wo sich Corona derzeit schnell verbreitet, zählen laut dem Index zu den Ländern, die bei der Bekämpfung der Ungleichheit besonders schlecht abgeschnitten haben. In Indien gehört der Anteil der Gesundheitsausgaben am Gesamthaushalt zu den niedrigsten der Welt. Nur die Hälfte der Bevölkerung hat Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung.
Positiv hebt Oxfam die Länder Togo und Namibia hervor. Sie hätten bereits vor der Pandemie Schritte zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit unternommen. Erwerbstätige im ungeregelten informellen Sektor hätten monatlich Geld erhalten, wenn sie wegen Abriegelungen ihre Arbeit verloren hätten. Die Ukraine habe trotz des relativ niedrigen Bruttoinlandsprodukts die Löhne der Beschäftigten im staatlichen Gesundheitswesen um bis zu 300 Prozent erhöht.
Bangladesch, das auf dem Index nur Platz 113 belegt, hat Oxfam zufolge seit der Pandemie den Beschäftigten im Gesundheitswesen, zumeist Frauen, Bonuszahlungen in Höhe von umgerechnet elf Millionen US-Dollar gewährt. Sowohl Myanmar als auch Bangladesch hätten mehr als 20 Millionen Menschen zusätzlich in ihre sozialen Sicherungssysteme aufgenommen.