Dresden (epd). Die Frage nach der Lebenszufriedenheit der Ostdeutschen ist für den Religionssoziologen Detlef Pollack vor allem eine des jeweiligen Vergleichmaßstabs. Verglichen die Ostdeutschen ihr Leben heute mit jenem in der DDR, "entwerfen sie ein eher positives Bild, vergleichen sie sich mit den Westdeutschen, so fangen sie an zu klagen", schreibt Pollack in der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung" (Donnerstag). Dabei sei das Lager der Unzufriedenen in den vergangenen Jahren "von links nach rechts gewandert".
Viele Ostdeutsche wählten die AfD "aus Protest und da sie kein Vertrauen in die Bundesregierung haben und mit der Art, wie Demokratie in Deutschland praktiziert wird, unzufrieden sind", schreibt der Münsteraner Professor. Wichtig dabei sei die Abneigung vieler "gegenüber allem, was sie als fremd empfinden, gegenüber Zuwanderern, kopftuchtragenden Musliminnen, diskursmächtigen Eliten, Homosexuellen, LGBTQ-Aktivisten, Feministinnen", betont der Soziologe: "Das Bunte, das andere erregt ihre Aversion."
Die rechtspopulistische Wahlentscheidung stelle damit vor allem "eine Verteidigung des Eigenen gegen das als fremdartig Definierte dar". Einen Grund dafür erkennt Pollack auch in den nach der Wende erlebten Demütigungen, etwa durch "die arroganten Belehrungen der Wessis". Diese lebten in bestimmten Milieus bis heute "im Ressentiment gegenüber allem, was den Anschein der Überlegenheit erweckt, fort", schreibt der Forscher. Dies dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Ostdeutschen "das Gefühl des Dauer-Beleidigtseins" hinter sich gelassen habe. Pollack hat selbst eine ostdeutsche Biografie.