Pflegeschutzbund: Rechte von Heimbewohner weiterhin eingeschränkt
11.09.2020
epd
epd-Gespräch: Bettina Markmeyer

Bonn, Berlin (epd). Trotz der Lockerungen nach dem Corona-Lockdown ist der Kontakt von alten Menschen in Heimen zu ihren Angehörigen und zur Außenwelt weiter eingeschränkt. Nach Einschätzung der Leiterin der Rechtsberatung des Biva-Pflegeschutzbundes, Ulrike Kempchen, kommt es dabei zu Rechtsverletzungen. Beschwerden von Angehörigen zeigten, dass Besuche häufig nur eingeschränkt möglich seien und auch der Ausgang für Heimbewohner problematisch bleibe.

Kempchen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), zwar sei es in allen Bundesländern wieder möglich, Besuche in einem Heim zu machen. Doch seien die Ausführungen sehr unterschiedlich: "Welche Rechte man hat, hängt jetzt auch davon ab, in welchem Bundesland man wohnt." Es gebe Einschränkungen wie etwa auf einen Besuch pro Woche, zeitliche Beschränkungen oder keine Besuche am Wochenende, weil nicht genug Personal da ist, um die Erfüllung der Corona-Auflagen zu garantieren, sagte Kempchen.

In den meisten Bundesländern seien die Kontakte zwischen Heimbewohnern und Außenwelt in den Infektionsschutzverordnungen nicht detailliert geregelt, erläuterte Kempchen. Dadurch werde den Einrichtungen die Verantwortung übertragen. Aus juristischer Sicht sei das problematisch, weil damit "der Träger eines Heims zum Herr über die Grundrechte der Bewohnerinnen und Bewohner" werde, sagte Kempchen.

Heime dürften auch nicht einfach eine Quarantäne auf dem Zimmer anordnen, wenn ein Bewohner von draußen zurückkomme. Dies dürften nur Gesundheitsämter und auch nur, wenn es einen Verdacht auf Kontakte gebe, die zu einer Ansteckung mit dem Virus führen könnten. Hier gebe es einen "Graubereich", sagte Kempchen. Aus der Beratung wisse man, dass Bewohner und ihre Angehörigen das Recht, das Heim jederzeit verlassen zu können - etwa für einen Ausflug oder einen Urlaub - aus Angst vor anschließender Isolation faktisch nicht wahrnähmen.

Obwohl die "Selbstbestimmung stark eingeschränkt" sei, wehrten sich nur wenige Betroffene vor Gericht, bilanzierte Kempchen. Deshalb gebe es kaum Gerichtsurteile über Corona-Auflagen in der Pflege. Ungeklärt sei beispielsweise, was ein Heim über das Hausrecht durchsetzen dürfe: "Nach unserer Auffassung kann das Hausrecht nicht allumfassend sein und das Privatleben eines Bewohners kontrollieren", sagte Kempchen. Die fehlende Rechtssicherheit erschwere auch die Beratungsarbeit.

Die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (Biva-Pflegeschutzbund) setzt sich für die Rechte pflegebedürftiger Menschen und deren Angehöriger ein. Der Biva-Pflegeschutzbund gehört der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (bagso) an, die in den wochenlangen Kontaktsperren die mit Abstand schwersten Grundrechtseingriffe in der Corona-Krise sieht.