Wiesbaden (epd). Die Umfrage "Die Ängste der Deutschen" hat in diesem Jahr ein erstaunliches Ergebnis hervorgebracht: Der Angstindex insgesamt ist trotz der Coronakrise der niedrigste seit Beginn der jährlichen Umfrage im Jahr 1992. Ängste seien besonders groß, wenn die Menschen den Eindruck hätten, internationalen Krisen hilflos ausgeliefert zu sein, erklärte die Infocenter-Leiterin der R+V-Versicherung als Auftraggeberin, Brigitte Römstedt, am Donnerstag in Wiesbaden. Dies sei offenbar angesichts der Corona-Pandemie anders. So wenige Befragte wie nie zuvor in diesem Jahrhundert befürchteten, dass die Politiker von ihren Aufgaben überfordert sind (40 Prozent). Diese Angst fällt erstmals aus der Top-Ten-Liste und landet auf Rang zwölf.
Als größtes Problem stuften die Deutschen wie bereits 2018 die Politik von US-Präsident Donald Trump ein (53 Prozent der Befragten). Bemerkenswert sei, dass trotz der Corona-Pandemie nur 32 Prozent der Befragten die Angst vor einer schweren Erkrankung nannten (Rang 17), hieß es. Dies sei sogar ein geringerer Wert als im Vorjahr (35 Prozent). Die allgemeine Angst vor dem häufigeren Auftreten von Pandemien bejahten 42 Prozent der Befragten (Rang neun). Die R+V-Versicherung ließ 2.400 repräsentativ ausgewählte Männer und Frauen im Alter ab 14 Jahren in Deutschland vom 8. Juni bis zum 21. Juli von Interviewern persönlich befragen.
Die Deutschen hätten deutlich mehr Angst davor, dass das Virus ihren Wohlstand bedroht als ihre Gesundheit, erklärte Römstedt. Die Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage sei in diesem Jahr stark gestiegen und belege die Ränge zwei bis vier. Insbesondere die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten (51 Prozent der Befragten) sei erstmals seit sechs Jahren wieder unter den sieben größten Ängsten. Mit einem Anstieg um acht Prozentpunkte kletterte sie von Platz zehn auf Platz zwei. Danach folgt die Furcht, dass die deutschen Steuerzahler für überschuldete EU-Staaten zur Kasse gebeten werden (49 Prozent, Vorjahr: 44 Prozent).
In die Höhe geschossen ist vor allem die Angst vor einem Konjunktureinbruch: Belegte sie im vergangenen Jahr mit 35 Prozent noch Platz 14, sprang sie jetzt nach einem Anstieg um 13 Prozentpunkte an die vierte Stelle der größten Sorgen. Arbeitslosigkeit war in den zurückliegenden Jahren des Wachstums eine der geringsten Sorgen. Doch dieses Jahr befürchteten weit mehr Befragte als 2019, dass die Arbeitslosenzahlen in Deutschland steigen (40 Prozent, plus zwölf Prozentpunkte). Auffällig dabei ist, dass aber wie im Vorjahr nur jeder vierte Berufstätige befürchtet, den eigenen Job zu verlieren.
Auf der anderen Seite haben der Umfrage zufolge die Ängste vor Zuwanderung deutlich abgenommen. 2020 befürchten jeweils 43 Prozent der Befragten, dass es durch den weiteren Zuzug von Ausländern zu Spannungen zwischen Deutschen und hier lebenden Ausländern kommt (Vorjahr: 55 Prozent), und dass der Staat durch die große Zahl der Flüchtlinge überfordert ist (Vorjahr: 56 Prozent). Diese Ängste teilen sich jetzt Rang sechs und sieben auf der Hitliste. Die Furcht vor dem Klimawandel steht auf Platz elf der Ängste-Rangliste (40 Prozent der Befragten).
Sogar unter die 40-Prozent-Marke gerutscht sind die Ängste vor politischem Extremismus (37 Prozent der Befragten, minus zehn Prozentpunkte) und Terrorismus (35 Prozent, minus neun Prozentpunkte). Römstedt hob besonders ein erfreuliches Ergebnis der Umfrage hervor: Die Befürchtung, dass die durch die Corona-Kontaktbeschränkungen erzwungene Nähe Partnerschaften einem Stresstest aussetze, habe keine Bestätigung gefunden. Im Gegenteil: Die Angst vor einem Zerbrechen der Partnerschaft sei um fast die Hälfte auf zehn Prozent der Befragten gefallen (minus acht Prozentpunkte). Die Ängste der Deutschen spiegelten eine vernünftige Reaktion auf konkrete politische Ereignisse, kommentierte der Heidelberger Politikwissenschaftler Manfred G. Schmidt.