Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Wochenende eine offizielle Trauer-Veranstaltung für die Corona-Opfer in Deutschland ins Gespräch gebracht. Sörries (67) ist Mitherausgeber des Fachmagazins "Leidfaden" für Krisen, Leid und Trauer (Vandenhoeck & Ruprecht-Verlag) und lehrt an der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen Kirchengeschichte und Christliche Archäologie.
epd: Glauben Sie, dass eine offizielle Trauer-Veranstaltung zu den Corona-Toten von der Bevölkerung angenommen wird?
Reiner Sörries: Ich habe zu wenig verfolgt, wie die Corona-Trauerfeier in Spanien in der Bevölkerung angenommen wurde; aus der Fernsicht war es ein Politiker-Schaulaufen mit wenigen Betroffenen. Es durften ja nur 400 Personen teilnehmen. Das wäre in Deutschland aufgrund der Hygiene-Bestimmungen kaum anders. Und die Vielzahl der Betroffenen könnten nur am Bildschirm teilnehmen. Ich bin aber aus einem anderen Grund skeptisch. Eine solche Trauerfeier könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die Pandemie sei überwunden. Dabei sind wir immer noch mittendrin, und es steht zu befürchten, dass weiterhin Menschen an und mit Corona sterben. Müsste es dann in Abständen ähnliche Trauerfeiern geben? Es müsste eine Form gefunden werden, die den Moment des Innehaltens angesichts einer so noch nicht gekannten Bedrohung ausdrückt. Dafür gibt es aber bislang keine institutionalisierte staatliche Form.
Wenn man eine solche Feier veranstaltet, in welcher Form sollte das Ihrer Meinung nach geschehen?
Sörries: Die evangelische Kirche verfügt über die Tradition des Buß- und Bettages, das ist ein solcher Tag des Innehaltens. Er könnte in diesem Jahr unter dem Vorzeichen von Corona begangen werden. Denn es ist auch Buße angesagt, weil die Wucht der Pandemie durchaus unserem Verhalten geschuldet ist. Ohne die bedenkenlose und oft als alternativlos bezeichnete Globalisierung hätte sich das Virus nicht in dieser Weise über die Welt verbreitet. Hinzu kommt unser unvernünftiges Verhalten von Ischgl über den doch ertrotzten Urlaub bis hin zu den Corona-Partys, mit denen das Virus geleugnet wird. Und es sind Gebete gefragt, um für die Verstorbenen und die Trauernden zu beten, und um Gott für ein Ende der Pandemie zu bitten.
Wie könnte das umgesetzt werden?
Sörries: Über die Landeskirchen hinweg könnte der Buß- und Bettag als evangelischer Gedenktag angesichts der Pandemie begangen werden. Wenn Zeit genug wäre, sich darüber zu verständigen, dann durchaus mit einem zentralen Gottesdienst und den vielen Gottesdiensten im ganzen Land. Und auch ein Buß- und Bettag darf den Dank für die vielen, unermüdlichen Helfer in allen Bereichen zum Ausdruck bringen.