Butterwegge: Pandemie verschärft soziale Ungleichheit in Deutschland
Armutsforscher für «Corona-Soli» zur Deckung der Folgekosten
06.09.2020
epd
epd-Gespräch: Thomas Krüger

Köln (epd). Die Corona-Pandemie hat nach Ansicht des Armutsforschers Christoph Butterwegge die soziale Ungleichheit in Deutschland verschärft. Ärmere Bevölkerungsgruppen seien einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen und zugleich von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Maßnahmen härter getroffen worden, sagte Butterwegge dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Politikwissenschaftler sprach sich dafür aus, den Solidaritätszuschlag in einen "Corona-Soli" umzuwidmen, um die Folgekosten der Pandemie gerechter zu verteilen.

Besonders stark von der Pandemie getroffen worden seien zum Beispiel Obdach- und Wohnungslose, Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften wie etwa Strafgefangene, Asylbewerber und Werkvertragsarbeiter in der Fleischindustrie. Weiter zählte Butterwegge unter anderem Suchtkranke, Prostituierte, Kleinstrentnerinnen und Hartz-IV-Empfänger zu den besonders gefährdeten Gruppen. Neben beengten und hygienisch fragwürdigen Wohnverhältnissen spielten dabei auch sozial bedingte Vorerkrankungen wie Asthma oder Diabetes eine Rolle.

Während Beschäftigte aus Büroberufen während des Lockdowns im sicheren "Home Office" weiterarbeiten konnten, sei das für Menschen in schlechter bezahlten Branchen wie etwa bei Straßenarbeitern, in Dienstleistungsberufen, aber auch in der Pflege nicht möglich gewesen, betonte der Wissenschaftler. Von Kurzarbeit seien ebenfalls "meist nicht Abteilungsleiter, sondern ihre geringer bezahlten Mitarbeiter" betroffen gewesen.

Der Wissenschaftler kritisierte eine "verteilungspolitische Schieflage" bei den staatlichen Hilfsprogrammen in der Corona-Pandemie: "Es wurde Geld verteilt an die, denen es ohnehin besser geht." So hätten sich etwa wie BMW Kurzarbeitergeld und Sozialversicherungsbeiträge vom Staat erstatten lassen konnten, obwohl sie hohe Dividenden an ihre Anteilseigner gezahlt hätten.

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hätten ihre Lohneinbußen durch Kurzarbeitergeld wenigstens abmildern können, sagte der Armutsforscher: "Wer aber nur wenig verlieren konnte, weil er schon vorher arm war, hat auch nichts bekommen." Leider habe die Bundesregierung die Idee eines Ernährungskostenzuschlags für diese Gruppen nicht aufgegriffen.

Butterwegge warnte davor, zur Bewältigung der Folgekosten der Pandemie Sozialleistungen auf den Prüfstand zu stellen: "Die Corona-Krise hat gezeigt, dass der Sozialstaat wichtiger ist denn je - der Markt konnte die Probleme nicht lösen." Der Forscher sprach sich für einen höheren Spitzensteuersatz, eine höhere Körperschaftssteuer und eine Wiedererhebung der Vermögenssteuer aus.