Münster (epd). Vor dem Hintergrund der hohen Zahl von Selbsttötungen in Deutschland fordert der Münsteraner Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Bernhard Baune mehr niedrigschwellige Hilfsangebote für Menschen mit Depressionen. "Wir brauchen gezielte Programme, die breit in die Gesellschaft getragen werden", sagte Baune am Freitag zum Welttag der Suizidprävention am 10. September. Betroffene brauchten erste Anlaufstellen, die für Gespräche bereitstehen und sie an Psychologen und Ärzte verweisen, damit schon in frühen Phasen der Aussichtslosigkeit geholfen werden könne. Als beispielhaft nannte der Direktor der Klinik für Psychische Gesundheit am Universitätsklinikum Münster den Betroffenenverband "Deutsche Depressionsliga" und die Telefonseelsorge.
Angehörigen von Betroffenen mit suizidalen Gedanken rät der Psychiater, ins Gespräch zu kommen. In einer suizidalen Krise befänden sich Betroffene oft in einer Isolation und absoluten gedanklichen und emotionalen Einengung. "Diese zu durchbrechen und jemanden direkt anzusprechen, in einer Hilfe gebenden Art und Weise, ist das Wichtigste, was man machen kann", erklärte er. Sollte das nicht möglich sein, könnten die Angehörigen auch Kontaktadressen oder einen Flyer von Unterstützungsangeboten im Haus oder auf dem Tisch liegenlassen.
Für Menschen mit konkreten suizidalen Gedanken sei es wichtig, kurzfristig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, sagte Baune weiter. "Hilfsangebote wie die Telefonseelsorge haben den Vorteil, dass ich sie von überall erreiche." In einer Akutsituation könnten Betroffene auch eine Notaufnahme aufsuchen, unabhängig davon, ob das Krankenhaus über eine Psychiatrie verfügt oder nicht. "Wichtig ist es, dass man einen Ansprechpartner hat, um diese akute Krise zu bewältigen, und das ist in der Notaufnahme in jedem Fall gegeben, sei es nur für ein Gespräch oder eine Übernachtung", betonte der Medizin-Professor für Psychiatrie und Psychotherapie.
In Deutschland gibt es den Angaben nach etwa 100.000 Suizidversuche pro Jahr, knapp 10.000 enden tödlich. Den Freitod wählten vor allem Menschen in der Mitte ihres Lebens zwischen 50 und 60 Jahren, sagte Baune. Mit einem Anteil von fast 75 Prozent setzten dreimal so viele Männer ihrem Leben ein Ende wie Frauen. Hauptursachen für Suizide seien mit etwa 50 bis 55 Prozent Depressionen sowie weitere psychische Erkrankungen.