Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.
Markus 10,13?16 (hier gelesen von Helge Heynold)
Liebe Ausdauernde,
es ist wieder einmal an der Zeit, dass ich Ihnen eine biblische Geschichte schenke, die viel mit Nähe zu tun hat. Schließlich ist und bleibt Nähe das, was wir weiterhin nur vernünftig dosiert zulassen. Da tat es gut, sich in eine Situation hineinzudenken, in der Nähe völlig arglos gesucht und gefunden wird. Mit dem sogenannten „Kinderevangelium“ wird begründet, warum auch Kinder getauft werden können und nicht nur Erwachsene, die aus eigenem Antrieb zum Christentum gehören wollen. Es beginnt ganz einfach: Menschen bringen Kinder zu Jesus. Man erfährt nichts Näheres über diese Menschen oder über die Kinder. Nicht einmal, ob es die eigenen Kinder sind, die da zu Jesus gebracht werden, wird gesagt. Es geht lediglich darum, dass die Leute mit den Kindern im Schlepptau möchten, dass Jesus die Kinder „anrührt“. Was genau sich die Leute von der Nähe zu Jesus für die Kinder erhoffen, bleibt ebenfalls offen. Vermutlich wünschen sie den Kindern, dass die Nähe zu Jesus die Kinder behütet. Vielleicht sind auch einige Kinder darunter, die krank sind, und die Erwachsenen wünschen sich, dass diese Kinder durch die Berührung gesund werden. Oder sie kommen einfach, weil die Nachbarin auch hier ist oder weil das Kind schlecht schläft. Was auch immer die Motivation ist, die Nähe zu Jesus verheißt Gutes, es verheißt Segen.
Doch nun stellen sich den Leuten die Jünger entgegen. Anscheinend gehen sie recht unfreundlich vor, denn Luther übersetzt, die Jünger „fuhren sie an“. Die Situation ist angespannt, und auch Jesus reagiert ungehalten. Er wird „unwillig“ und weist seine Jünger zurecht: „Solchen gehört das Reich Gottes … Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ Wie so häufig in der biblischen Überlieferung, wird Jesus auch hier nicht ausführlicher. Darum können wir überlegen, was er wohl genau meinte mit seiner Aussage, dass man das Reich Gottes annehmen müsse wie ein Kind. Es gibt viele Aspekte des Kindseins, die hier passend erscheinen. Man kann darum ganz unterschiedliche Vermutungen anführen: Kinder sind gerade einfältig genug. Sie denken nicht viel nach, sondern freuen sich über das, was sie bekommen. Kinder sind unbeschwerter und offener für Neues als Erwachsene. Kinder sind unschuldiger, sündloser als Erwachsene. Ich möchte Ihnen heute meine derzeitig liebste Erklärung zu diesem Jesuswort schreiben.
Ich glaube, dass Jesus in seinem Satz vor allem auf die Tatsache anspielt, dass Kinder wissen, dass sie abhängig sind. Vielleicht ist es weniger ein Wissen als ein Gefühl, aber Kindern ist klar, dass sie andere brauchen, damit sie gut leben, damit sie überleben können. Je älter ein Mensch wird, desto größer wird die Gefahr, dass er anfängt, seine eigene Leistung zu überschätzen. Man beginnt, alles, was man hat, als Verdienst anzusehen, und vergisst, dass das Leben ein Geschenk ist. Kinder bekommen Liebe geschenkt, und wer sie liebt, wird sich davor hüten, ihnen zu vermitteln, sie müssten sich Liebe verdienen. Darin sehe ich den großen Vorsprung, den Kinder uns Erwachsenen gegenüber haben, wenn es um das Reich Gottes, die „Königsherrschaft Gottes“ geht: Sie haben nichts zu verlieren, wenn Gottes Wille auf der Erde geschieht. Sie nehmen das Gute, das sie bekommen, ohnehin als Geschenk an. Sie müssen es sich nicht verdienen und darum kommt es ihnen auch nicht in den Sinn, dass sie es mehr oder weniger als andere verdienen könnten, so gesegnet zu werden. Wer um die eigene Abhängigkeit, um das Angewiesen-Sein auf andere weiß, wird auch anderen gönnen, wenn Gott ihnen Gutes schenkt. Das ist etwas, das wir von den Kindern lernen können, um es nicht so schwer zu haben auf dem Weg ins Reich Gottes.
Eine Sache, von der auch Erwachsene wissen, dass man es sich nicht selbst geben oder verdienen kann, ist der Segen. Ich habe zwar schon davon gehört, dass Kaiser sich selbst krönten, aber dass sich jemand selbst die Hand auflegte, um sich zu segnen, davon weiß ich nichts. Darum lautet meine Wochenaufgabe: Lassen Sie sich segnen! Das ist in der Zeit des sicheren Abstands nicht mehr ganz so einfach wie vorher, aber es ist absolut möglich. Gottesdienste finden nach wie vor statt, und am Ende eines jeden steht ein Segen. Sie können aber auch ganz einfach jemanden bitten, Sie zu segnen. Bitten Sie jemanden aus Ihrer Nähe, der oder die Sie auch in diesen Tagen berühren darf. Lassen Sie sich die Hand auflegen und lassen Sie sich diese ganz einfachen Worte sagen: „Gott segne dich!“ Machen Sie nicht mehr als das! Es braucht weder besondere Geistliche noch besondere Worte, Handhaltungen oder Verrenkungen im Kopf. Das Einzige, das Sie schaffen müssen, ist darum zu bitten. Aber damit drücken Sie genau die Haltung aus, die Jesus uns so dringend empfiehlt.
Das kann eine gute Woche werden. Lassen wir es zu!
Ihr Frank Muchlinsky