Wiesbaden (epd). Rund 55.000 Mal haben Jugendämter in Deutschland im vergangenen Jahr Kindeswohlgefährdung festgestellt - ein erneuter Anstieg der Zahlen. Dies geht aus am Donnerstag veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden hervor, die auf rund 5.100 mehr Fälle als 2018 verweisen. Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen sei damit das zweite Jahr in Folge um etwa zehn Prozent und damit auf einen neuen Höchststand gestiegen.
Ein Grund dafür könnte den Statistikern zufolge die umfangreiche Berichterstattung über Missbrauchsfälle in den vergangenen beiden Jahren sein, die zu einer weiteren Sensibilisierung der Öffentlichkeit und der Behörden geführt haben dürfte. Gleichzeitig könnten aber auch die tatsächlichen Fallzahlen gestiegen sein. Bundesweit hatten die Jugendämter nach Angaben der Bundesbehörde im vergangenen Jahr mehr als 173.000 Verdachtsfälle geprüft. Das seien rund 15.800 mehr als 2018 gewesen.
Jedes zweite gefährdete Kind war den Daten zufolge jünger als acht Jahre. Im Alter bis 13 Jahre seien Jungen etwas häufiger betroffen gewesen, ab dem 14. Lebensjahr Mädchen. Mehr als die Hälfte der rund 55.500 betroffenen Kinder, nämlich 58 Prozent, hätten Anzeichen von Vernachlässigung aufgewiesen. Bei rund einem Drittel aller Fälle (32 Prozent) seien Hinweise auf psychische Misshandlungen gefunden worden. Dazu zählten beispielsweise Einschüchterungen, Demütigungen, Isolierung und emotionale Kälte. In weiteren 27 Prozent der Fälle habe es Indizien für körperliche Misshandlungen und bei fünf Prozent Anzeichen für sexuelle Gewalt gegeben. Mehrfachnennungen waren möglich.
Auch wenn Kindeswohlgefährdungen durch sexuelle Gewalt mit rund 3.000 Fällen am seltensten festgestellt worden sei, sei hier ein besonders starker Anstieg zu beobachten, meldet das Bundesamt: Von 2018 auf 2019 hätten die Fälle durch sexuelle Gewalt um 22 Prozent zugenommen (536 Fälle mehr). Damit habe sich der Trend aus dem Jahr 2018 fortgesetzt. Etwa zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen, bei denen 2019 eine Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt festgestellt wurde, waren weiblich.