Halle-Prozess: Synagogen-Attentäter baute sich Welt voller Waffen
Nach mehrwöchiger Pause ist der Prozess gegen den Attentäter Stephan B. am Dienstag in Magdeburg fortgesetzt worden. Am sechsten Prozesstag wurde die Wirksamkeit der Waffen des Angeklagten erörtert. Die Tatwaffen wurden in Augenschein genommen.

Magdeburg (epd). Der Synagogen-Attentäter von Halle hat sich offenbar über Jahre ein beträchtliches Waffenarsenal angelegt und sich intensiv mit dem Bau von Waffen beschäftigt. Dies wurde am sechsten Prozesstag am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Naumburg in Magdeburg deutlich. Mehrere Kriminalbeamte des Bundeskriminalamtes (BKA) berichteten, welche Waffen des Angeklagten sichergestellt wurden und wie diese aufgebaut waren. Einige Bauteile seiner Waffen stammten aus einem 3-D-Drucker. Zudem wurden die Ergebnisse von Versuchen zur Wirksamkeit der Molotow-Cocktails und Sprengsätze des Angeklagten erörtert.

Ein Sachverständiger erläuterte die Wirksamkeit der Schusswaffen des Attentäters. Dazu wurden die Waffen im Original vor Gericht in Augenschein genommen. Darunter war eine Maschinenpistole, die nach Plänen des Briten Philipp Luty gebaut worden sei. Stephan B. zeigte großes Interesse an den Ausführungen zur Waffentechnik, versuchte sich selbst immer wieder mit "fachlichen Kenntnissen" einzumischen und ergriff das Wort, um persönlich seine Waffentechnik zu erklären. Teilweise gab er sich sichtlich amüsiert. Die Vorsitzende Richterin musste ihn mehrfach ermahnen: "Herr B., es gibt wirklich wenig zu lachen."

B. hatte sein Waffenarsenal selbst dokumentiert. Ein Foto zeigte, dass er im Bettkasten seines Zimmers zahlreiche Waffen deponiert hatte. Unmittelbar vor der Tat machte er noch ein Selfie in der Wohnung seines Vaters, bei dem er "in voller Montur" vor einem Spiegel posierte. Nach Angaben eines Zeugen soll seine gesamte Ausrüstung, die er zum Beginn an der Synagoge trug, etwa 29 Kilogramm schwer gewesen sein. Dokumentiert wurden unter anderem Schusswaffen, Messer, ein bereits im Mai 2011 im Internet gekauftes Schwert, eine selbstgebaute "Grabenkeule" aus einem Holzstiel mit einem Zahnrad sowie Munition. Allein auf die 40 Jahre alte Passantin, die er vor der Synagoge tötete, soll er 15 Schüsse abgegeben haben.

Zudem ging es um die Frage, ob die Molotow-Cocktails, die B. während des Anschlags über die Steinmauer auf das Gelände der Synagoge warf, zu einem lebensgefährlichen Brand hätten führen können. Dazu führte eine BKA-Kriminaltechnikerin mehrere Brandversuche durch, mit Materialien aus einer Schilfrohrhütte, die neben der Synagoge stand sowie mit Proben aus den von B. gebastelten Molotow-Cocktails. In allen Brandversuchen erloschen die Flammen nach kurzer Zeit. Größere Wirkung hätte dagegen offenbar ein Sprengsatz gehabt, den er auf den Friedhof neben der Synagoge geworfen hatte. Ein Versuch von Kriminaltechnikern zeigte eine größere Explosion.

Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen und fremdenfeindlichen Motivation heraus einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt, zwei Menschen erschossen und weitere verletzt. Die Bundesanwaltschaft hat ihn wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiteren Straftaten angeklagt. Mit Sprengsätzen und Schusswaffen wollte er in die abgeschlossene Synagoge gelangen, um möglichst viele Juden zu töten. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hielten sich dort 52 Gläubige auf. B. droht bei einer Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem kommt eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht.