Mali-Expertin: Militärputsch muss Beginn von Reformen sein
25.08.2020
epd
epd-Gespräch: Benjamin Dürr

Frankfurt a.M. (epd). Der Militärputsch in Mali muss der Politikwissenschaftlerin Julia Leininger zufolge der Beginn von tiefgreifenden Reformen in dem westafrikanischen Land sein. Das Eingreifen des Militärs spiegle die Unzufriedenheit mit fehlender Mitbestimmung und ausbleibenden Verbesserungen im Leben der Menschen wider, sagte die Mali-Expertin vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) dem Evangelischen Pressedienst. In Mali habe das Militär in der Vergangenheit immer wieder eingegriffen, um das Land auf einen demokratischen Kurs zu bringen, und für sich beansprucht, die Interessen des Volkes zu vertreten.

Am Dienstag vergangener Woche hatten Soldaten Präsident Ibrahim Boubacar Keïta festgenommen und zum Rücktritt gezwungen. Die Regierung stand seit Wochen durch Massenproteste unter Druck. Die Menschen protestierten gegen die Manipulation der Parlamentswahl im Frühjahr, die schlechte wirtschaftliche Lage und die zunehmende Gewalt im Land. Die Militärs bezeichnen sich als "Nationalkomitee zum Wohl des Volkes" und erklärten, sie wollten verhindern, dass Mali weiter im Chaos versinke. In mehreren Städten feierten die Menschen am Wochenende die Absetzung der Regierung und jubelten dem Militär zu.

Eine Einigung zwischen Vertretern der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) und der Militärjunta scheiterte bisher Medienberichten zufolge an der Länge der Übergangszeit. Das "Nationalkomitee" strebte zunächst eine Übergangsregierung für drei Jahre unter Führung des Militärs an. Dies wäre länger als nach dem letzten Militärputsch 2012. Eine längere Übergangsphase böte mehr Zeit für Reformen, sagte Leininger. "Es besteht aber die Gefahr, dass das Land auf ein neues Regime zusteuert und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Demokratie darunter leiden würde."

Die internationale Gemeinschaft sollte sich neben der Unterstützung der Wirtschaft und der Verbesserung der Sicherheitslage vor allem für politische Reformen einsetzen, sagte Leininger. Dies könnten eine Verfassungsreform und ein nationaler Dialog sein, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken. Nach dem Putsch 2012 und der Zunahme von Konflikten und Gewalt im Norden und Zentrum des Landes sei durch den Fokus auf Sicherheit und den Kampf gegen Terrorismus die Stärkung politischer Einrichtungen vernachlässigt worden.

Mali ist eines der ärmsten Länder Afrikas. Laut Weltbank leben rund 40 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze. 1991 hatte das Militär eine zwei Jahrzehnte dauernde Diktatur von Präsident Moussa Traoré beendet und einen Prozess eingeleitet, der zu demokratischen Wahlen führte. Der Anführer des Putsches, Amadou Toumani Touré, war nach 2002 Präsident des Landes und wurde 2012 selbst vom Militär wegen Missmanagements gestürzt. Seit 2013 regierte der nun abgesetzte Präsident Keïta.