Altmodischer Fernseher vor einer Wand
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TV-Tipp: "Hotel-Legenden: Das American Colony Hotel in Jerusalem"
17.8., ARD, 23.30 Uhr
In jeder Metropole gibt es Gebäude, Monumente und Denkmäler, die viel über die Historie der jeweiligen Stadt erzählen könnten. Hotels mit langer Tradition aber eignen sich natürlich ganz besonders, zumal sich neben der großen Geschichte auch viele kleine Geschichten entdecken lassen. Nach dem "Le Bristol" (Paris) und dem Berliner "Adlon" ist der dritte Film der vierteiligen ARD-Reihe "Hotel-Legenden" (eine Koproduktion des RBB mit SR und SWR) dem "American Colony" in Jerusalem gewidmet.

Die einst von amerikanischen Auswanderern gegründete Herberge ist ein ganz besonderes Hotel, weil seine Besitzer stets strikte Neutralität gewahrt haben. Dieser spezielle Status hatte zur Folge, dass hier sogar Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern stattgefunden haben. Tatsächlich spielt die Geschichte des Landes in diesem Film von Nicola Graef eine mindestens ebenso große Rolle wie die Rückblicke in die Anfangsjahre im 19. Jahrhundert, als die Überlebenden der von mehreren Schicksalsschlägen gebeutelten Chicagoer Familie Spafford 1881 in die "Heilige Stadt" pilgerte und sich dort so wohl fühlte, dass sie Wurzeln schlug. Rund um die fromme Matriarchin Anna Spafford entstand recht bald eine christliche Kirchengemeinde, die überzeugt war, die Wiederkehr Jesu stehe unmittelbar bevor; selbstverständlich in Jerusalem.

Dank umtriebigen Handels blühte die anfangs noch recht überschaubare Kolonie auf und umfasste schließlich über 150 Mitglieder. Sie bezogen einen idyllisch zwischen Olivenhainen gelegenen früheren osmanischen Palast außerhalb der Stadtmauern, widmeten ihr Dasein karitativen Zwecken und gründete verschiedene soziale Projekte, darunter eine Schule, die auch für jüdische und muslimische Kinder offen war. Um die Jahrhundertwende herum wurde das Gebäude in ein Luxushotel umgewandelt, in dem sich neben wohlhabenden Amerikanern alsbald auch weltberühmte Künstler die Klinke in die Hand gaben. Unter anderem wohnten hier John Steinbeck und Graham Greene; die spätere Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf schrieb dort ihren Roman "Jerusalem".

Ähnlich faszinierend ist die Verwicklung des Hotels in die Zeitläufte. Als sich die türkische Armee im Ersten Weltkrieg den Briten ergab, diente als Symbol für die Kapitulation ein weißes Bettlaken aus dem "American Colony Hotel". Unter britischem Mandat wurde Jerusalem zu einer Großstadt mit westlicher Prägung. Annas Tochter Bertha wollte Zufluchtsorte schaffen und gründete ein Waisenhaus sowie ein Kinderkrankenhaus. Aber die Ruhe war nicht von Dauer; das Gebäude blieb auch weiterhin ein Schauplatz, an dem Geschichte geschrieben wurde. Ab 1933 flüchteten Hunderttausende Juden aus Deutschland nach Israel, es kam zu Unruhen zwischen Juden und Arabern. Als die umliegenden arabischen Staaten unmittelbar nach der Staatsgründung Israel im Mai 1948 den Krieg erklärten, wurde das Hotel in ein Lazarett unfunktioniert. Nach der Teilung Jerusalems lag es im arabischen Teil der Stadt; es verlor nicht nur seine Lieferanten, sondern auch seine Stammkunden. 1960 stand es vor dem Bankrott. Als Retter entpuppte sich ein in London lebender Nachfahre der ursprünglichen Einwandererfamilie, der das Haus modernisierte. Seine Frau, eigentlich Schauspielerin, nahm sich der Gartengestaltung an; bis heute gehört der Garten des American Colony“ zu den schönsten Hotelgärten der Welt.

Während des Sechstagekriegs im Juni 1967 eroberte die israelische Armee unter anderem auch Ostjerusalem, aber an der Neutralität des Hauses hat sich nie etwas geändert. In den Achtzigerjahren bekam es sogar einen Schweizer Generaldirektor. Dank der neutralen Haltung wurde das Hotel immer wieder zum geheimen Treffpunkt für Gespräche zwischen Palästinenser und Israelis. Hier begannen unter anderem jene Verhandlungen, die schließlich 1993 zum Oslo-Vertrag führten. Das "American Colony" war in der Tat eine Oase des Friedens, in der bis heute Juden, Christen und Moslems einträchtig miteinander arbeiten.

Trotz der vielen historischen Exkurse wird der Film jedoch nie zur bebilderten Geschichtsstunde. Das liegt nicht zuletzt an den klug ausgewählten Gesprächspartnern, zu denen neben Historikern und Mitarbeitern auch ein Ururenkel von Anna Spafford gehört; die Nachfahren der Gründerfamilie bestimmen die Geschicke des Hauses nach wie vor. Großen Anteil an der Kurzweiligkeit des Films hat neben den vielen zeitgenössischen Aufnahmen und der stimmigen Musik auch der von Schauspielerin Katja Riemann sehr angenehm vorgetragene Kommentar.